Immaterielles Kulturerbe – 9 Neuaufnahmen in das Österreichische Verzeichnis
07.10.2020
Entscheidung bei der Tagung des österreichischen Fachbeirats für das Immaterielle Kulturerbe: 9 Elemente wurden neu in das nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Österreich aufgenommen. Seit dem Jahre 2010 findet jährlich eine Eintragungsrunde statt, aktuell sind nun 133 österreichische Traditionen im Verzeichnis gelistet.
Unter dem Begriff ‚Immaterielles Kulturerbe’ werden weltweit seit 2003 vielfältige
gelebte Traditionen von der UNESCO dokumentiert und geschützt. Ob darstellende Kunst, Bräuche, Feste, Naturwissen oder Handwerkstechniken – alle Formen des immateriellen Kulturerbes sind immer von menschlichem Wissen und Können sowie einer Vielfalt von Fertigkeiten getragen. Mit der Sichtbarmachung von Bräuchen und Praktiken entsteht ein neues Verständnis für regionale Besonderheiten weltweit und es wird ein wertvoller Beitrag zu deren Erhaltung geleistet.
Seit 2010 führt die Österreichische UNESCO-Kommission das nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Österreich. Per 7. Oktober 2020 wurde das Verzeichnis um 9 weitere Elemente kultureller Ausdrucksformen und lebendiger Traditionen erweitert. Ein Fachbeirat, angesiedelt bei der Österreichischen UNESCO-Kommission, entscheidet jährlich über Neuaufnahmen. Mittlerweile zählt das Österreichische Verzeichnis 133 Eintragungen.
9 Neuaufnahmen in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Österreich per 7.10.2020:
Bereich: Darstellende Künste
Nikolospiel Bad Mitterndorf (Steiermark)
Das Nikolospiel in Bad Mitterndorf ist ein Stuben- und Umzugsspiel, das jährlich am 5. Dezember an verschiedenen Orten dargeboten wird. Die Aufführung fand ursprünglich in Bauern- und Wirtshäusern statt, seit 1959 wird die Darbietung auf dem Mitterndorfer Hauptplatz auch einem breiteren Publikum präsentiert. Das Nikolospiel setzt sich aus verschiedenen Figuren zusammen, die zwischen den Aufführungsorten einen Umzug bilden.
Bereich: Gesellschaftliche Praktiken, Rituale und Feste
Amraser Matschgerer (Tirol)
Der jährlich stattfindende Fastnachtsbrauch der Amraser Matschgerer findet Quellen zufolge seinen Ursprung im 17. Jahrhundert. Diese aus einer dörfischen Gemeinschaft entstandene Tradition hat sich trotz der Angliederung an die Landeshauptstadt und des städtischen Einflusses erhalten. Im Zentrum des Brauches stehen neben den Umzügen vor allem die Darbietungen der Matschgerer im kleinen Kreis, wobei jeder Fastnachtsfigur bestimmte Kostüme und Handlungsweisen zugeschrieben werden.
Hauerkrone und Hiatabaum in Neustift am Walde (Wien)
Die Bräuche der Weinhauer*innen in Neustift am Walde gehen auf die Regentschaftszeit von Maria Theresia zurück. Der Neustifter Kirtag findet jährlich am Festtag des Dorfpatrons, dem Hl. Rochus, im August statt. Im Mittelpunkt des viertägigen Festes stehen der festliche Umzug der traditionellen Hauerkrone, auch als Neustifter Winzerkrone bekannt, und das Aufstellen des Hüterbaums nach der feierlichen Festmesse.
Stinatzer Hochzeit - Stinjačka svadba (Burgenland)
Bei ihrer Ansiedlung im 16. Jahrhundert brachten Kroat*innen spezifische Elemente mit, die, mit regionalen Einflüssen, die Hochzeiten im südburgenländischen Ort Stinatz/Stinjaki zum Zeugnis transkultureller Beziehungen machten. Der Hochzeitsbrauch verbindet mündlich überlieferte Traditionen, wie den Stinatzer Dialekt und die Volkslieder, mit traditionellen Handwerkstechniken, wie die Herstellung der lokalen (Hochzeits)Tracht. Dieser Brauch verdeutlicht die Identität der Gemeinschaft als Stinatzer Dorfbevölkerung sowie als Angehörige der kroatischen Volksgruppe.
Bereich: Wissen und Praktiken in Bezug auf die Natur und das Universum
Kneippen als traditionelles Wissen und Praxis nach der Lehre Sebastian Kneipps (österreichweit)
Das Kneippen ist eine traditionelle Heilmethode, die der Krankheitsprävention und Gesundheitserhaltung dient. Es handelt sich dabei um eine Anregung des Blutkreislaufs, Stärkung des Immunsystems und Verbesserung des vegetativen Nervensystems. Kneippen ist eine ganzheitliche Methode und umfasst die fünf Säulen Bewegung, Ernährung, Wasser, Kräuter und Lebensordnung. Das klassische Kneippen besteht aus mehreren Wassergüssen sowie weiteren Anwendungen wie Barfußgehen, Steinegehen, Bädern, Waschungen und Wickeln.
Odlatzbia Oröwen im Wiesenwienerwald (Niederösterreich)
Die Elsbeere – im Volksmund „Odlatzbia“ (Adlitzbeere) - ist in großen Teilen Europas verbreitet, doch ist sie heutzutage äußerst selten und oftmals nur in Wäldern auffindbar. Das Wissen und Handwerk rund um die „Königin der Wildfrüchte“ wird in Niederösterreich von Generation zu Generation weitervermittelt. Das „Odlatzbia Oröwen“ (Adlitzbeere abrebeln) ist dabei der Höhepunkt des Arbeitsprozesses, der von der Baumpflanzung bis zur Verarbeitung reicht. Zu diesem Höhepunkt finden sich die Bauernfamilien mit ihren Helfer*innen und Freund*innen zusammen und rebeln manuell die Früchte von den Trugdolden.
Bereich: Traditionelles Handwerk
Das Buchbinderhandwerk (österreichweit)
Das Wissen um die Buchbindekunst wurde in mittelalterlichen Klöstern von Mönchen entwickelt und weitergegeben. Die handgeschriebenen Bücher und deren Buchdeckel wurden oft aufwendig mit Kleinodien und Goldschmiedearbeiten veredelt. Mit der Erfindung der Buchdruckkunst im 15. Jahrhundert etablierte sich das Buchbinderhandwerk als selbstständiges Gewerbe, wobei dieses Handwerk bis heute mit traditionellen Mitteln ausgeübt wird.
Die Fuhr am Hallstättersee (Oberösterreich)
Die „Fuhren“ (flache Transportboote aus Holz, auch Plätten genannt) haben am Hallstättersee eine lange Tradition als Güter- und Personentransportmittel. Schon im 13. Jahrhundert, nach der Wiedereröffnung des Salzbergwerks in Hallstatt, wurde die Schifffahrt über den See und die Traun zum Transport der Ware notwendig. Heute beherrschen nur mehr wenige Personen dieses Handwerk.
Steinmetzkunst und –handwerk (österreichweit)
Seit Jahrtausenden sind Steinmetz*innen für die Erschaffung unzähliger sakraler und profaner Bauten verantwortlich und geben das Wissen um die Verwendung und das Behauen des natürlich vorkommenden Rohstoffes Stein weiter. Von Steinmetz*innen hergestellte Werkstücke prägen bis heute das Bild vieler Städte und Ortschaften.
Das Österreichische Verzeichnis umfasst nun aktuell 133 Eintragungen:
11 aus dem Bereich "mündliche überlieferte Ausdrucksformen", einschließlich der Sprache als Trägerin des Immateriellen Kulturerbes"
24 aus dem Bereich "Darstellende Künste"
54 aus dem Bereich "Gesellschaftliche Praktiken, Rituale und Feste"
15 aus dem Bereich "Wissen und Praktiken im Umgang mit der Natur und dem Universum"
29 aus dem Bereich "Traditionelle Handwerkstechniken".
Link zum gesamten Österreichischen Verzeichnis
Auf Instagram werden einzelne Traditionen regelmäßig vorgestellt: @livingheritage_at #intangibleculturalheritageaustria #livingheritage
Immaterielles Kulturerbe ist nicht Welterbe – Eine Begriffsklärung
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