Springe zum Hauptinhalt

Vielfalt kultureller Ausdrucksformen

Freiräume für Kunst und Kultur  
Foto: © Caroline Minjolle

Mobilität / Vorzugsbehandlung

Was bedeutet Vorzugsbehandlung und warum ist Österreich verpflichtet diese zu leisten?

In fast keinem Bereich ist die Konvention so explizit wie in Fragen der Mobilität von Kunst und Kulturakteur*innen. Die Verpflichtungen im Bereich der Vorzugsbehandlung der Unterzeichnerstaaten sowie der EU liegen klar auf der Hand: Gemäß Art. 16 der Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt Kultureller Ausdrucksformen (2005) ist eine Vorzugsbehandlung für Staatsangehörige aus dem globalen Süden zu gewähren. Diese Bestimmung verpflichtet Länder des globalen Nordens Maßnahmen zu setzen, die sowohl die Mobilität von Kunst- und Kulturakteur*innen wie auch den Austausch von kulturellen Gütern und Dienstleistungen aus dem globalen Süden unterstützen. Hier geht es um die Vereinfachung der Verfahren für die Erteilung von Visa für die Einreise, Aufenthalt und vorübergehende Reisen. Darüber hinaus ist der Aufbau von Kapazitäten durch Ausbildung, Austausch und Aufenthalte für Kunst- und Kulturakteur*innen zentral, um sie bei der Einbindung in professionelle Netzwerke zu fördern.

"Vorzugsbehandlung ist ein Vorteil, den ein Staat einem anderen Staat oder einer Gruppe von Staaten ohne Bedingung der Gegenseitigkeit gewährt." 

Der letzte UNESCO Weltkulturbericht (2022) zeigt, dass der Globale Norden seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen bisher nicht ausreichend nachgekommen ist:

  • Visabestimmungen gefährden die Bemühungen von Kulturinstitutionen und Zivilgesellschaft, den fortbestehenden Ungleichheiten zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden entgegenzuwirken.
  • Der Welthandel zeigt keine Anzeichen einer Öffnung für kulturelle Dienstleistungen aus dem Globalen Süden
  • Einschränkungen der Freizügigkeit und der Mobilität von Kunstschaffenden werden als Mittel der Repression und der Zensur eingesetzt; hier ist der Globale Norden insbesondere gefordert, gefährdeten Kunst- und Kulturakteur*innen Zufluchtsmöglichkeiten zu gewähren.

Mobilitätsbarrieren für Kunst- und Kulturakteur*innen aus EU-Drittstaaten

Bürokratische Hürden
Lange Anreisewege und Wartezeiten bei den Behörden, Reisekosten zur jeweils zuständigen Behörde, Visumsgebühr und Einholen/Übersetzen der erforderlichen Dokumente, teils geforderte Buchungsbestätigung von Flugtickets – zeitliche, organisatorische und hohe finanzielle Kosten stellen eine Barriere sowohl für Veranstalter*innen als auch für Kunst- und Kulturakteur*innen dar. Dazu kommen Verzögerungen durch teils formale Fehler in der Antragstellung, bzw. technische Barrieren, die ein Visaverfahren in die Länge ziehen oder zum Stillstand bringen können. Diese Hürden beeinflussen außerdem die Bereitschaft von Veranstalter*innen, Kunst und Kulturakteur*innen einzuladen bzw. anzustellen. Bürokratismen bringen auch finanzielle Auswirkungen mit sich, z.B. Fahrtkosten zu den zuständigen Behörden bei (mehrmaligen) Terminen oder Nachreichung und Übersetzung von Unterlagen. 

Strukturelle Barrieren
Hohe Anforderungen für Kunst- und Kulturakteur*innen aus EU-Drittstaaten hindern oftmals die erfolgreiche Visavergabe oder Aufenthaltsgenehmigungen. Die geforderten Belege zur Einschätzung der gesicherten Wiederausreise (Nachweis der Integration im Wohnsitzland und der ökonomischen Verhältnisse u.a. Immobilienbesitz, Kontoauszüge, Arbeitsverhältnis), stehen im Widerspruch zu den künstlerischen Lebensrealitäten. Es werden Arbeitsrealitäten gefordert, welchen auch nur wenige heimische Künstler*innen gerecht werden können.
Bei der Beschäftigungsbewilligung Künstler*in muss ein Großteil des Einkommens aus der künstlerischen Arbeit kommen. Dies ist oftmals nicht realistisch, da das Einkommen zu gering ist – „Nebenjobs sind Realität“. Problem: Begrifflichkeit – Selbstständige Künstler*innen müssen eine Tätigkeit ausüben, die „überwiegend aus künstlerischer Gestaltung“ besteht – ist nicht klar definiert und geht von der nur in der internationalen Top-Ebene vorhandenen langfristigen Engagements aus. Oftmals wird Musikunterricht als „Handwerk“ und nicht als künstlerische Tätigkeit eingestuft und somit nicht als Teil des künstlerischen Tuns akzeptiert.

Fehlende Informationen
Eine weitere Barriere ist der fehlende, verständliche Informationsfluss zur Antragstellung und Möglichkeiten von Unterstützung, vor allem bezüglich Spezifika für künstlerische Arbeits- und Lebensrealitäten. Auch in Österreich ist das Angebot and Services nicht ausreichend. Online-Dienste und Websites liefern notwendige Informationen über Voraussetzungen und Schritte der Visaantragstellung oder zu Aufenthaltsbewilligungen, doch braucht es eine Aufstockung der Ressourcen, um diese Dienste zu verbessern. Zivilgesellschaftliche Organisationen bieten oft kostenlose Unterstützung an – auch auf juristischer Ebene. Doch braucht es auch hier die Verbesserung der Sensibilisierung für die Spezifika von Kunst- und Kulturakteur*innen im Visakontext. Ein weiteres Problem ist die Zugänglichkeit zu den bereitgestellten Informationen und Services – sowohl Veranstalter*innen als auch Antragsteller*innen sind sich dem Angebot nicht bewusst, bzw. wissen nicht von allen Informationsmöglichkeiten.

Was braucht es um Mobilitätsbarrieren abzubauen?

Lösungsansätze

  • Handlungsspielräum in der Anwendung des EU Visa Kodex
  • Berücksichtigung der Spezifika künstlerischer Arbeits- und Lebensrealitäten
  • Nutzung der Möglichkeit, bona-fide-Antragsteller*innen zu begünstigen
  • Detailliertere Begründung der Ablehnung von Visaanträgen
  • Verlässliche, aktuelle und verständlich aufbereitete Informationen
  • Zur Verfügungstellung von Mitteln und Ressourcen für den Austausch, bzw. Förderung von Kunst- und Kulturprojekten
  • Gesicherter Aufenthalt während arbeitsrechtlichen Verfahren
  • Erleichterung der Nachweisbarkeit von Arbeitsverhältnissen
  • Abschaffung der Bestrafung von undokumentiert Arbeitenden bei Nichteinhaltung von gesetzlichen Pflichten durch Arbeitgeber*innen
  • Keine höheren (finanziellen) Verpflichtungen für Unterzeichner*innen von Verpflichtungserklärungen als die erforderliche Höhe der Eigenmittel zur Deckung des Lebensunterhalts für den Zeitraum des geplanten Aufenthalts der Antragsteller*in
© Vanessa Barragão

Weiterführende Links

Aktuelles aus dem Bereich Mobilität / Vorzugsbehandlung

Symposium "Mobilität: Privileg und Problem" in Bildern

Symposium "Mobilität: Privileg und Problem" in Bildern

Mobilitätsbarrieren sind zahlreich - sie verstärken globale Asymmetrien in Kunst und Kultur. Status Quo, Herausforderungen, Lösungen und Strategien…

Symposium Mobility: Privilege & Problem. Global Asymmetries in Art & Culture

Symposium Mobility: Privilege & Problem. Global Asymmetries in Art & Culture

  • 4. Mai 2023

In der gemeinsamen Veranstaltung „Mobilität: Privileg und Problem“ bringen die Österreichische UNESCO-Kommission, IG Bildende Kunst & Institut für…

KÜLTÜŘ GEMMA! FELLOWSHIP: MOBILITÄTSBARRIEREN

KÜLTÜŘ GEMMA! FELLOWSHIP: MOBILITÄTSBARRIEREN

Von November 2021 bis April 2022 setzte sich Daria Tchapanova als kültüř gemma! Fellow bei der Österreichischen UNESCO-Kommission (ÖUK) in einem…

Veranstaltungsreihe - "Forum Fair Culture"

Veranstaltungsreihe - "Forum Fair Culture"

Unter dem Leitsatz „Vorzugsbehandlung im (post)migrantischen Österreich neu denken", öffnet die Veranstaltungsreihe „Forum Fair Culture“ den Raum für…

UNESCO Weltbericht 2018: KULTUR POLITIK NEU | GESTALTEN

UNESCO Weltbericht 2018: KULTUR POLITIK NEU | GESTALTEN

Wie ist es um die Vielfalt in Kunst und Kultur weltweit bestellt? Welche Trends lassen sich identifizieren und welche Herausforderungen bestehen? Der…

Klausurtagung Kulturelle Vielfalt

Klausurtagung Kulturelle Vielfalt

Jährlich findet auf Einladung der Österreichischen UNESCO-Kommission die Klausurtagung der ARGE Kulturelle Vielfalt statt. Im Mittelpunkt der…

Stichwort: Visa für KünstlerInnen

Stichwort: Visa für KünstlerInnen

Das Theaterfestival Abtenau ist Bühne stand 2014 unverhofft im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit. Jedoch, zum Bedauern der Festivaldirektorin…