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Vielfalt kultureller Ausdrucksformen

Freiräume für Kunst und Kultur  
Foto: © Caroline Minjolle

UNESCO Weltbericht 2018: KULTUR POLITIK NEU | GESTALTEN

Wie ist es um die Vielfalt in Kunst und Kultur weltweit bestellt? Welche Trends lassen sich identifizieren und welche Herausforderungen bestehen? Der UNESCO Weltbericht 2018 informiert umfassend über den Stand der Umsetzung der „Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“ - und zeigt sowohl Erfolge als auch Defizite in der Kulturpolitik aus globaler Perspektive auf.

Kunstfreiheit – eine unverzichtbare Voraussetzung

Im Jahr 2016 wurden 430 Angriffe auf die Kunstfreiheit dokumentiert. Ein beträchtlicher Anstieg gegenüber dem Jahr 2015, in dem 340 Angriffe dokumentierten wurden, und eine Vervierfachung der Anzahl von 2014 mit 90 dokumentierten Fällen. Am stärksten betroffen waren Musikerinnen und Musiker (86% aller ersten Bedrohungen), gefolgt von darstellenden Künstlerinnen und Künstlern in den Bereichen Kabarett, Tanz und Schauspiel (32%). Dieser Anstieg ist zum einen auf ein besseres Monitoring von Verletzungen durch Kunstorganisationen selbst sowie das wachsende Bewusstsein für den erforderlichen Schutz der Rechte der Kunstschaffenden allgemein zurückzuführen. So bieten etwa 80 Städte weltweit bedrohten KünstlerInnen Unterstützung in Form von Künstlerresidenzen und –stipendien und an die 100 Organisationen haben Notfallfonds und Unterstützungsangebote entwickelt. Zum anderen jedoch werden immer öfter Gesetzte, die dem Staatsschutz, dem Schutz vor Terrorismus, der Religion und „traditionellen Werten“ dienen sollen sowie Bestimmungen betreffend Verleumdung und Beleidigung genutzt, um die Kunstfreiheit einzuschränken. Auch im Bereich der Medienfreiheit hat sich die Situation in 66% der Länder verschlechtert.

Gleichstellung der Geschlechter – ein Ziel in weiter Ferne

In nahezu allen Bereichen der Kultur bestehen weltweit erhebliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Frauen sind stark unterrepräsentiert im Bereich der entlohnten Kunst- und Kulturarbeit, insbesondere in kreativen Schlüsselfunktionen und entscheidungstragenden Positionen. Unter den Top 100 der einflussreichsten Personen im Musiksektor sind -  dem Ranking des Billboard Magazine zufolge - nur 15 Frauen. In nur jedem fünften in Europa produzierten Film führt eine Frau Regie. Etwa ein Drittel aller Kulturministerien wird von eine Ministerin geleitet, weniger als ein Drittel der nationalen Kulturinstitute und -räte ist in Frauenhand. Zusätzlich haben Frauen weniger Zugang zu Ressourcen und sind mit erheblichen geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden konfrontiert. In Nordamerika etwa erhalten Frauen, die ein Museum leiten, etwa 25% weniger als ihre männlichen Kollegen. Ein Hauptproblem ist, dass kaum geschlechtsspezifische Daten als Grundlage für eine faktenbasierte Politik erhoben werden. Bewusstseinsbildung für die geschlechtsspezifischen Disparitäten ist weiterhin dringend erforderlich. Es braucht, so die Conclusio des Berichts, die durchgängige Inklusion einer Gender-Perspektive in alle kulturpolitischen Maßnahmen und Strategien und deren Evaluierung, damit Frauen in Zukunft tatsächlich den gleichen Zugang zu Ressourcen, Finanzierungsquellen, Karrierechancen und Anerkennung erhalten wie ihre Kollegen.

Internationaler Austausch – Mobilitäts- und Handelsbarrieren abbauen

Für eine Vielfalt kultureller Inhalte ist Austausch und Kooperation über nationale Grenzen hinweg essentiell. Die Chancen hierfür sind jedoch weltweit sehr ungleich verteilt. Während Kunst- und Kulturschaffende aus dem globalen Süden lediglich 75 Länder visafrei bereisen können, können ihre KollegInnen aus dem globalen Norden 156 Länder visafrei bereisen. Bemühungen von Kulturinstitutionen und Zivilgesellschaft, diesen Austausch zu fördern, werden vielfach durch Visabestimmungen erschwert, die durch das aktuelle Sicherheitsklima zunehmend strenger werden. Ferner sind lediglich 18% der Fördermittel für Mobilitäts- und Austauschprogramme im globalen Norden auch für Kunstschaffende aus dem globalen Süden zugänglich. Fast 90% aller weltweiten Residency-Orte liegen jedoch im globalen Norden. Ein etwas differenzierteres Bild zeichnet sich im Bereich des Handels ab: Zwischen 2005 und 2014 hat der globale Süden (inklusive China und Indien) immer stärker am internationalen Handel mit kulturellen Gütern partizipieren können. Entfielen 2005 noch 25% auf Kulturgüter auf „Entwicklungsländern“ stieg der Anteil bis 2014 auf 45%. Rechnet man jedoch China und Indien raus, entfallen auf die restlichen Länder des globalen Südens lediglich 26.5 %. Der Abbau von Mobilitäts- und Handelsbarrieren sei daher, so die AutorInnen des Weltberichts, dringend erforderlich.

Die digitale Kulturwirtschaft - Zukunftstrend und Herausforderung

Der Kultursektor generiert aktuell Umsätze von 2.25 Milliarden US-Dollar jährlich mit fast 30 Millionen Beschäftigten weltweit. Prognosen zufolge wird er in den nächsten Jahren 10% der weltweiten Wirtschaftsleistung aufbringen. Festzustellen ist, dass die Kulturwirtschaft dabei immer digitaler wird. So haben 2016 die Erlöse aus dem Online-Musikgeschäft mit 7.85 Milliarden US-Dollar erstmals die 50%-Marke an allen Erlösen der Musikindustrie überschritten. Dies ist ein Zuwachs von 16% gegenüber dem vorangegangenen Jahr 2015, der sich insbesondere aus den steigenden Umsätzen der Streamingdienste erklärtNeben den Umsätzen wächst auch das im Internet zirkulierende Datenvolumen exponentiell, insbesondere private Daten: Jede Minute werden 347.222 Tweets abgesetzt, 527.760 Fotos auf Snapchat geteilt, 2.78 Millionen Videos auf Youtube angesehen und 51.000 Apps von Apple heruntergeladen. Doch nur wenige profitieren davon durch die zunehmende Marktkonzentration. So sind etwa 95% des Werts der App-Branche in 10 Ländern konzentriert. Bisher haben nur vereinzelte Staaten eine Strategie entwickelt, um mit diesen Veränderungen im Kultursektor umzugehen. Die AutorInnen des Berichts fordern Länder auf, in kollaborativen Prozessen gezielte Strategien zu entwickeln, um die Digitalisierung des Kultursektors aktiv zu gestalten und eine Vielfalt an digitalen kulturellen Inhalten langfristig zu absichern.

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Links

© UNESCO / Bild: Aida Muluneh und David Knut Projects, The Departure, 2016, Äthiopien
UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay eröffnet die Präsentation des neuen Weltberichts zur Förderung der Vielfalt in Kunst und Kultur, UNESCO-Hauptquartier Paris
© UNESCO / Christelle ALIX unter der Lizenz CC BY-NC-ND 2.0
© UNESCO / Christelle ALIX unter der Lizenz CC BY-NC-ND 2.0
© UNESCO / Christelle ALIX unter der Lizenz CC BY-NC-ND 2.0

Investitionen in Kultur im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit: 2005 wurden weltweit 564.9 Millionen US-Dollar im Rahmen der Öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) in Kultur investiert. Im Jahr 2010 lag diese Zahl nur mehr bei 354.3 Millionen US-Dollar und sank seitdem weiter auf den Rekordtiefstand von 257 Millionen US-Dollar im Jahr 2015. Eine drastische Reduktion der Mittel für Kultur im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit von 45% in 10 Jahren.

UNESCO Weltbericht 2018