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Immaterielles Kulturerbe

Bräuche, Wissen, Handwerkstechniken  
Foto: © UNESCO/James Muriuki

Weinviertler Kellerkultur
Gesellschaftliche Praktiken in Niederösterreich, aufgenommen 2022

Von „Köllamaunn“ über die „Köllastund“ und die „Köllapartie“ bis hin zur „Köllajausn“ – die Weinviertler Kellergassen stellen einen Lebens- und Arbeitsraum für die lokale Bevölkerung dar. Mit der Weinviertler Kellerkultur hat sich eine spezielle Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens entwickelt. Wesentlich dabei ist das Zusammenkommen von Menschen in Presshäusern und Kellern, wobei diese Interaktion weiterhin von jahrhundertealten Regeln geprägt ist.

Die Kellergassen im Weinviertel existieren seit vielen Jahrhunderten und haben nach wie vor eine wichtige soziale Bedeutung. Regelmäßig begegnen sich Kellerbesitzer*innen in ihren Weinkellern zur „Köllastund", um bei einem Glas Wein über das Leben nachzudenken (lautmalerisch „similieren" für sinnieren). Weinkeller sind Orte der Kommunikation und ausgedehnte Kellerrunden mit eingeladenen Gästen werden „Köllapartie" genannt. Vorbeikommende sind herzlich willkommen und werden ungeachtet der sozialen Stellung eingeladen; dies gilt als Kellerrecht und wird seit Jahrhunderten so gelebt. Dabei werden neben aktuellen Themen aus Politik oder Wirtschaft auch alte Geschichten diskutiert und erörtert, immer der Regel folgend „Was im Keller spricht – das dringe nicht ans Tageslicht“. Wichtiger Bestandteil von „Köllapartien“ ist die „Köllajausn" mit vorwiegend kalten Speisen, hausgemacht oder aus regionaler Produktion.
War „Köllamaunn“ einst der*die Kellerbesitzer*in bzw. Weinbauer*Weinbäuerin, welche*r die in der Kellergasse selbstproduzierten Weinbestände samt Geräten regelmäßig inspizierte, bezeichnet es heute eine recht lose Gesellschaft von Personen, die die Weinviertler Kellerkultur weitertragen: Sie kümmern sich um den Keller, pflegen das gesellschaftliche Leben und die Weinviertler Kellerkultur. Ebenso mussten sich Riten und Bräuche der Kellerkultur den Änderungen der Zeit und der schwindenden Anzahl der Winzer*innen anpassen. Beispielsweise findet die Übergabe des großen Kellerschlüssels als Symbol für das „Erschließen“ des Kellers nicht mehr nur im familiären Kontext statt, sondern auch wenn die bisherigen Besitzer*innen davon überzeugt sind, dass die Nachfolger*innen würdig und verantwortungsvoll mit dem Besitz umgehen. Besonders die regelmäßig stattfindenden „Köllapartien“ und „Köllastunden“ bleiben nach wie vor ein wichtiger sozialer Treffpunkt und Ort des Austausches. Dort kommen alle Menschen zusammen und geben Geschichten und Praktiken der Keller weiter – beispielsweise, dass Besucher*innen eines Weinkellers nicht auf die Holzfässer klopfen dürfen. 

Vereine, Gemeinden wie Einzelpersonen unternehmen unterschiedliche Maßnahmen, um die Weinviertler Kellerkultur lebendig zu erhalten. Künstlerische und literarische Auseinandersetzungen und die 660 (seit 1990) ausgebildeten Kellergassenführer*innen, tragen zur Verbreitung und öffentlichen Auseinandersetzung mit der Kellerkultur bei. Seit 2012 wird jährlich der „Köllamaunn des Jahres" vergeben, und zwar an Personen, die sich um die Themen Kellergassen, Wein- und Kellerkultur verdient machen. Besonders diese „Köllamaunna" stehen stellvertretend für viele andere Akteur*innen, die sich für die Erhaltung und Fortführung der Weinviertler Kellerkultur einsetzen. 

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