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Immaterielles Kulturerbe

Bräuche, Wissen, Handwerkstechniken  
Foto: © UNESCO/James Muriuki

Schifferlsetzen
Gesellschaftliche Praktiken in Steiermark, aufgenommen 2024

Das „Schifferlsetzen“ ist eine regional verwurzelte Tradition im Mariazellerland rund um den Nikolaustag. Dabei basteln Kinder in den Tagen vor dem Fest in Familienkreisen oder Bildungseinrichtungen kleine Papierschifferl, die sie bunt bemalen. Am „Krampustag“ werden diese Schifferl heimlich bei Verwandten und Bekannten „gesetzt“ und sind dann am Nikolaustag mit Süßigkeiten, Nüssen und anderen Kleinigkeiten gefüllt zur Abholung bereit. Auch heute hat diese Praxis eine identitätsstiftende und gemeinschaftsbildende Bedeutung.

Ursprünglich entstand das Schifferlsetzen aus der Not heraus: Früher verursachten die sogenannten „Nikolo-Hochwässer“ oft große Zerstörungen und Armut. Um in dieser schweren Zeit Solidarität zu zeigen, stellten Menschen aus der Nachbarschaft den weniger Betroffenen heimlich ein „Schifferl“ vor die Tür und baten um Hilfe. Neben den typischen Nikolausgaben erhielten die Bittsteller*innen Kleidung und andere Hilfsgüter. So entwickelte sich das Schifferlsetzen im Mariazellerland als ein sogenannter „Heischebrauch“. Auch wenn die ursprüngliche Motivation heute in den Hintergrund getreten ist, bleibt die Form dieser Tradition seit Jahrzehnten unverändert. Die besonderen Falttechniken und die Überlieferung von Sprüchen, die den Schifferln beigegeben werden, werden als tradiertes Wissen an die jüngere Generation weitergegeben.

Dabei spielen in der Erhaltung vor allem Familien, pädagogische Fachkräfte in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen sowie das Heimathaus Mariazell eine zentrale Rolle. Durch die gemeinsame Bastelarbeit mit den Kindern und die Weitergabe von Wissen über die historischen Hintergründe wird die Praxis lebendig gehalten und zum Mitmachen motiviert. Im Mittelpunkt stehen die Kinder: Sie basteln zunächst ihre „Schifferl“ und überlegen, bei wem sie diese heimlich abstellen möchten – meist bei Verwandten oder Bekannten. Die Beschenkten füllen die „Schifferl“ dann liebevoll und bereiten sie zur Abholung vor. Am Nikolaustag kommt es schließlich zur freudigen „Enthüllung“ zwischen den Kindern und den Schifferlempfänger*innen. Das Schifferlsetzen fördert das Zugehörigkeitsgefühl, die regionale Identität und den generationenübergreifenden Austausch. Dabei wird die Tradition nicht nur in der Gemeinschaft gelebt: Durch Schifferlbasteln in Kindergärten und Volksschulen sowie bei den jährlichen Adventsveranstaltungen im Mariazeller Heimathaus wird diese alte Praxis auch neuen Menschen zugänglich gemacht und weitergetragen.

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