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Immaterielles Kulturerbe

Bräuche, Wissen, Handwerkstechniken  
Foto: © UNESCO/James Muriuki

Gautschen
Gesellschaftliche Praktiken in ganz Österreich, aufgenommen 2021

Am Ende der Lehrzeit einer/eines Druckerin/ Druckers findet die Gautschfeier statt, deren Höhepunkt die Wassertaufe ist. Dabei werden die Lehrlinge (Kornuten) gepackt und in einen Wasserbottich getaucht, um sie von ihren „Sünden“ (der Lehrzeit) reinzuwaschen. Anschließend erfolgt der Freispruch und damit die Aufnahme in den Stand der Gesell*innen. Zur Bestätigung sich dieser Zeremonie unterzogen zu haben, erhalten die „Gäutschlinge“ einen kunstvoll gestalteten Gautschbrief.

Das Gautschen (die Gautsch), ein Berufsbrauch der Buchdrucker*innen und Schriftsetzer*innen, geht auf zünftische Initiationsrituale zurück. Bereits im 15. Jahrhundert unter Friedrich III. wurde das Gautschen dokumentiert. Der Begriff "Gautschen" ist angelehnt an einen Vorgang bei der Papierherstellung, sowie dem Anfeuchten der Druckbogen zur Urzeit des Buchdrucks.

Für das Gautschen sind mehrere Personen in unterschiedlichen Rollen notwendig: eine*n Gautschmeister*in, welche den Ablauf bestimmt und die ihm/ihr zur Seite gestellten Packer*innen, die sich aus den bereits gegautschten Gesellen*innen des Betriebes rekrutieren und für den/die Gautschmeister*in das „Grobe“ erledigen. Der/die Schwammhalter*in taucht die Lehrlinge ein und braucht zur Ausübung des Amtes zwei Schwämme und einen Kübel mit Wasser. Der Anführgspan oder Faktor (Ausbildner*in) fungiert als Zeuge/Zeugin. 

Der Ablauf für die Kornuten (Lehrlinge) am Ende der Lehrzeit beginnt mit dem Kommando „Packt an!“ durch den/die Gautschmeister*in, nach welchem die Lehrlinge von den Packer*innen nacheinander in ein Wasserbehältnis geworfen, auf einen feuchten Schwamm gesetzt oder mit einem Eimer Wasser übergossen werden, wogegen sie sich ursprünglich mit allen Kräften zur Wehr setzen sollten. Dabei hält der/die Gautschmeister*in jeweils eine Ansprache, während sie von dem/der Schwammhalter*in von ihren Sünden „reingewaschen“ werden. Am Ende jeder Zeremonie erhalten die Gesell*innen einen Gautschbrief, der  heute ein wichtiges, historisches Bindeglied und Zugehörigkeitssymbol zu einer Berufsgruppe repräsentiert.

Heute praktizieren es neben den Drucker*innen auch die aus dem Druck weiterentwickelten Berufe der Typografiker*innen, Mediengestalter*innen, Druckvorstufentechniker*innen, usw. Der Initiationsritus wird noch an einer höheren Bildungsanstalt in Wien, Unternehmen und zu Anlässen rund um das Berufsbild durchgeführt. Das Ritual bildet nicht nur einen berufs-, sondern auch einen generationsübergreifenden Bogen in seiner Bedeutung für die Lehrenden und Studierenden und ist identitätsstiftend für den Berufsstand. Durch Publikationen, Öffentlichkeitsarbeit und kontinuierliche Ausüben der Praxis, wird das Element vermittelt und erhalten. 

Kontakt

Bernhard Honkisz
1140 Wien
bernhard.honkisz@graphische.net

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