Weltbildungsbericht 2020: Inklusion und Bildung: Für alle heißt für alle
Dem aktuellen ‚Global Education Monitoring Report‘ zufolge hat mehr als eine Viertel Milliarde Kinder und Jugendliche keinen Zugang zu Bildung. Millionen Menschen werden aufgrund ihrer Herkunft, Identität oder einer Behinderung innerhalb des Bildungssystems ausgegrenzt und sind von den Folgen der COVID-19-Pandemie besonders betroffen.
Unter der Devise ‘All means All‘ widmet sich der diesjährige Weltbildungsbericht der UNESCO dem Thema der Inklusion. Der jährliche Bericht dient dem Monitoring der Fortschritte in 209 Ländern bei der Umsetzung des Globalen Nachhaltigkeitsziels 4: „Bis 2030 für alle Menschen inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung sowie Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen sicherstellen.“
Aus dem aktuellen Weltbildungsbericht geht hervor, dass sich die Ausgrenzung der am stärksten benachteiligten Lernenden während der COVID-19-Pandemie weiter verschärft hat. 40% der ärmsten Länder haben benachteiligte Lernende während der COVID-19-Krise nicht unterstützt. Weniger als 10% der Länder haben Gesetze, die dazu beitragen, die vollständige Inklusion in der Bildung zu gewährleisten.
Weltweit ist Armut weiterhin die entscheidende Hürde für den Bildungserfolg. 258 Millionen Kinder und Jugendliche sind vollständig von Bildung ausgeschlossen. In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen schließen Jugendliche aus den reichsten 20% aller Haushalte dreimal so häufig die Sekundarstufe I ab wie Jugendliche aus den ärmsten Familien.
Identität, Herkunft und Befähigung bestimmen Bildungschancen. In zehn Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen war die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder mit Behinderungen eine Mindestlesekompetenz erreichen, um 19% geringer als bei Kindern ohne Behinderung. Weiters haben in den Vereinigten Staaten LGBTIQ-Schüler*innen fast dreimal häufiger angegeben, von der Schule ferngeblieben zu sein, weil sie sich unsicher fühlten.
"Um den Herausforderungen unserer Zeit gerecht zu werden, ist ein Schritt in Richtung integrativerer Bildung unabdingbar", sagte Audrey Azoulay, Generaldirektorin der UNESCO. „Nach der Covid-19-Pandemie, die bestehende Ungleichheiten verstärkt in den Mittelpunkt stellte, ist es umso wichtiger, die Zukunft der Bildung zu überdenken. Wenn wir nicht handeln, wird dies dem Fortschritt von Gesellschaften im Wege stehen.“
Neue Plattform PEER bietet Überblick über gesetzliche Rahmenbedingungen weltweit
Gemeinsam mit dem Weltbildungsbericht 2020 wird auch eine neue Online-Plattform präsentiert: PEER (Profiles Enhancing Education Reviews) sammelt aktuelle Informationen zu Gesetzen und Richtlinien über Inklusion und Bildung von über 160 Ländern der Welt. Die neue Plattform soll den wechselseitigen Erfahrungsaustausch ermöglichen und zum regionalen politischen Dialog anregen. PEER zeigt, dass viele Länder immer noch Bildungssegregation praktizieren, was Stereotypisierung, Diskriminierung und Entfremdung verstärkt. Nach den Gesetzen in einem Viertel aller Länder müssen Kinder mit Behinderungen in getrennten Einrichtungen unterrichtet werden. In Lateinamerika und der Karibik sowie in Asien sind es über 40%.
Zwei afrikanische Länder verwehren schwangeren Mädchen immer noch den Zugang zur Schule, 117 erlauben Kinderehen, während 20 Länder das Übereinkommen gegen Kinderarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) noch nicht ratifiziert haben. In mehreren mittel- und osteuropäischen Ländern sind Roma-Kinder in Regelschulen getrennt. In Asien werden Vertriebene wie die Rohingya in parallelen Bildungssystemen unterrichtet. In den OECD-Ländern besuchen mehr als zwei Drittel der Schüler mit Migrationshintergrund Schulen, an denen sie mindestens 50% der Schülerbevölkerung ausmachen, was ihre Chancen auf akademischen Erfolg verringert.
Geschulte Lehrkräfte als Schlüssel für gelungene Inklusion
Viele Bildungssysteme bauen auf der Annahme auf, dass alle Menschen dieselben Lernbedürfnisse haben. Das zeigt sich unter anderem daran, dass bis heute erst 41 Länder eine Form der Gebärdensprache offiziell anerkannt haben, darunter Österreich. Auch gesellschaftliche Einstellungen setzen der Inklusion Grenzen. So stellt der Weltbildungsbericht fest, dass 59 Prozent aller Eltern in Hongkong und 15 Prozent in Deutschland befürchten, dass Kinder mit Behinderungen das Lernen anderer Schüler*innen stören würden.
Bei der Umsetzung von Teilhabe im Bildungsbereich kommt insbesondere den Lehrkräften eine entscheidende Rolle zu. Sie sind der Schlüssel zu mehr Inklusion im Schulalltag, brauchen dafür aber das nötige Handwerkszeug. So gab ein Viertel aller Lehrkräfte in 48 untersuchten Ländern an, sich mehr Weiterbildungen zum Unterrichten von Schüler*innen mit besonderen Bedürfnissen zu wünschen.
Vielfalt als Stärke
"Covid-19 hat uns eine echte Gelegenheit gegeben, über unsere Bildungssysteme neu nachzudenken", sagte Manos Antoninis, Direktor des Global Education Monitoring Report. "Aber der Umzug in eine Welt, die Vielfalt schätzt und begrüßt, wird nicht über Nacht geschehen. Es besteht eine offensichtliche Spannung zwischen dem Unterrichten aller Kinder unter einem Dach und der Schaffung eines Umfelds, in dem die Schüler*innen am besten lernen. Aber COVID-19 hat uns gezeigt, dass es Spielraum gibt, Dinge anders zu machen, wenn wir uns darauf fokussieren.“
Nationale Präsentation des Weltbildungsberichts
Am 28.01.2021 wurde der UNESCO Weltbildungsbericht in Österreich präsentiert.