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Wissenschaft

Wissenschaft im Rahmen der globalen Nachhaltigkeitsziele  
Foto: © Colourbox.de

UNESCO-Lehrstuhl im Portrait: Nachhaltiges Management von Naturschutzgebieten

Ein Gespräch mit dem Lehrstuhlinhaber Dr. Michael Jungmeier über die Entstehungsgeschichte des UNESCO Chairs "Sustainable Management of Conservation Areas" an der FH Kärnten, seine Beschäftigung mit Mensch-Umwelt Beziehungen und dem ‚Naturschutz im 21. Jahrhundert‘.

Herr Dr. Jungmeier, Wie kam es schlussendlich zur Errichtung dieses UNESCO-Lehrstuhls an der FH Kärnten?
Es sind zwei Komponenten, die das letztendlich ermöglicht haben: Erstens hat die Fachhochschule Kärnten im Zuge einer Weiterentwicklung gezielt einen strategischen Schwerpunkt auf Umwelt und Nachhaltigkeit gesetzt. Zweitens hatte der Studienlehrgang ‚Management of Conservation Areas’, den ich jetzt an der FH Kärnten neu aufgesetzt habe, bereits eine lange Vorgeschichte an der Alpen-Adria-Universität.
Es hat immer schon über diverse Gremien und Personen Kontakte in die UNESCO-Sphäre gegeben. Seit den 90er Jahren habe ich gemeinsam mit dem österreichischen „Man and the Biosphere“-Programm Forschungsprojekte und Vorhaben entwickelt. Dabei ist auch meine Begeisterung für das Konzept der Biosphärenparks schrittweise erwacht. Als sich die Sevilla-Strategie manifestiert hat, war ich als Person schon sehr tief involviert.
Österreich hat auch eine zentrale Rolle bei der Weiterentwicklung des Weltnaturerbes „Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas“ gespielt. Meine Kolleg*innen bei E.C.O. Institut für Ökologie haben gesehen, was die Welterbekonvention für ein beeindruckendes Instrument ist und was das managementtechnisch bedeutet. Auch im UNESCO Global Geopark Karawanken habe ich immer wieder in Projekten mitgearbeitet.
Aufgrund dieser Beschäftigung mit UNESCO-Programmen kam der Vorschlag, ob man das nicht in einen UNESCO-Chair konfiguriert. Das Gemisch war also schon da, aber der zündende Funke war dann ein Impuls aus dem damaligen Lebensministerium im Jahr 2018/19. Die FH Kärnten hat ihre Ressourcen zusammengeschlossen und wir haben gemeinsam ein Konzept entwickelt, das entsprechend überzeugend war. Gemeinsam mit dem Geschäftsführer Siegfried Spanz haben wir in Paris vorgesprochen und massive Unterstützung erfahren: von der Ständigen Vertretung Österreichs bei der UNESCO, dem Österreichischen MAB-Komitee und der Österreichischen UNESCO-Kommission.

Ihre beruflichen Tätigkeiten in Wissenschaft, Lehre und Beratungspraxis sind sehr vielseitig. Über 30 Jahre haben Sie auch das Forschungs- und Beratungsunternehmen E.C.O in Kärnten geleitet. Wo sehen Sie Ihre persönlichen Schwerpunkte?
Das E.C.O Institut für Ökologie wurde damals in den 90er Jahren aus einer gewissen Not heraus gegründet, weil es keine andere Möglichkeit gab, sich professionell mit dem Thema Schutzgebiete zu beschäftigen. Aus dem heraus hat sich das Unternehmen entwickelt. Wir wollten das Thema Naturschutz am Beispiel von Schutzgebieten in eine neue Zeit führen. Es war klar, dass der Naturschutz, so wie er sich in den 80er Jahren gestaltet hat, nicht zukunftsfähig war. 1984 wurde man als Naturschützer noch geprügelt in der Hainburger Au und für uns Naturschützer gab es lange ein de facto Berufsverbot. Bis 1995 war ich „illegaler“ Ökologe, weil wir nicht einmal eine Berufsbezeichnung hatten. Bis in die 2000er Jahre musste sich diese Profession noch im Rechtgebäude behaupten. Bis dahin haben wir darüber prozessiert, ob das ein Beruf ist oder nicht.
Seit meiner Magisterarbeit im Nationalpark Hohe Tauern habe ich mich inhaltlich immer mit dem Thema Schutzgebiete beschäftigt. Immer mit dem Thema und der Vorstellung, dass das Instrumente sind, mit denen Gesellschaften ein Naturelement erhalten können, die man für die zukünftige Entwicklung brauchen wird.
In den frühen 90er Jahren haben sich dann die Instrumente der UNESCO langsam etabliert. Das Konzept der Biosphärenparks mit seinem stark partizipativen Element habe ich von Anfang an sehr clever gefunden. In den späten 90er und 2000er Jahren haben mein Team und ich das Potenzial dieses Instruments erkannt und dann auch eine sehr stark internationale Tätigkeit entwickelt.

Sie haben viele Forschungsprojekte in UNESCO Biosphärenparks in vielen Ländern der Welt durchgeführt. Was sind besonders einprägsame Erfahrungen im Rahmen dieser Projekte?
Es gibt ein global überlegtes Konzept für Biosphärenparks und Millionen Möglichkeiten das regional zu konfigurieren. Das finde ich daran so aufregend. Die Entwicklungsgeschichte des Nationalparks Nockberge in Kärnten und die des Kafa Biosphärenparks in Äthiopien sind meine persönlichsten Bezugspunkte.
In den Nockberge bin ich selbst aufgewachsen. Als 15-jähriger habe ich Unterschriften gesammelt gegen die Umwandlung der Nockberge in ein Schigebiet. Da hat es eine der ersten Bürger*inneninitiativen im Naturschutzkontext in Österreich gegeben. Die war insofern erfolgreich als es dann 1979 zu einer Volksabstimmung kam, die dagegen ausgegangen ist. Es wurde dann etwas überstürzt der Nationalpark Nockberge eingerichtet, der als Kategorie nicht gepasst hat. In einem Nationalpark sollen zwei Drittel der Fläche außer Nutzung gestellt sein und das hat in einer jahrhundertealten Kulturlandschaft nicht funktioniert. Wir haben dann ab den frühen 2000er die Umwandlung dieses missglückten Nationalparks in den Biosphärenpark begleiten dürfen. Das ging mit unglaublichen Diskussionen und tiefen Einblicken in die Region und interessanten Beratungs- und Forschungsprojekten einher. Da gab es über die Akademie der Wissenschaften sehr tiefgreifende Forschungsprojekte, die dazu beigetragen haben, diese Partizipationsprozesse besser zu verstehen und zu gestalten.
Der Biosphärenpark Nockberge wurde dann 2013 eingerichtet und beschäftigt mich weiter – das ist fast ein Lebensprogramm. Im Rahmen des Projekts Science_Link bilden der Biosphärenpark gemeinsam mit der Alpen-Adria-Universität und der FH Kärnten ein Dreieck um studentische Forschung in der realen Lebenswelt zu stimulieren. Gleich nach der Umwandlung der Nockberge in einen Biosphärenpark haben wir begonnen junge Leute in die ländlich-periphere Region zu schicken. Das hat viele interessante Diskussionen hervorgebracht und Lernprozesse, die langfristig gesehen viel Bewegung brachten. Das ist ein Prozess auf den ich persönlich auch sehr stolz bin.

Der Lehrstuhl soll in Forschung und Lehre zum „Naturschutz im 21. Jahrhundert“ beitragen. Was zeichnet diesen zeitgemäßen Naturschutz aus?
Naturschutz ist nichts Statisches. Mit jeder ideologischen Strömung und mit jedem Jahrzehnt und jeder gesellschaftlichen Entwicklung ändert sich das Verständnis von Naturschutz. Viele internationale Konventionen und Programme sind in den 70er Jahren angesiedelt, so auch die Welterbekonvention, das MAB-Programm der UNESCO oder das erste europäische Naturschutzjahr. Da gab es ein unglaubliches Bewusstsein dafür, dass es eine Menschheitsperspektive braucht, eine globale Sichtweise auf den Planeten in dem auch die Natur einen Platz hat. Ich verstehe die nachfolgenden Jahrzehnte fast als Folgewirkung. Die Erkenntnisse, die zuerst in den internationalen Konventionen konfiguriert waren, sind Schritt für Schritt gesickert, bis in die letzten Graben und bis in die Nockberge. Da gab es zuerst noch ein sehr altes ‚Käseglocken’-Verständnis von Naturschutz: Ich muss eine Grenze ziehen und da darf die Natur tun was sie will. In den meisten Landschaften hat der Mensch jedoch schon seine Spuren hinterlassen. Daher ist der Aspekt der Partizipation und Beteiligung so wichtig, genauso wie internationale Zusammenarbeit und evidenz-basiertes Wissen. Heute gibt es dafür eine Reihe an völlig neuen technischen Möglichkeiten: von Fernerkundungen angefangen bis zu genetischen Fingerprints von einzelnen Orten – man kann auf allen Ebenen Technologie bereitstellen.

Sie sind auch Leiter des neuen international ausgerichteten Masterlehrgang „Management of Conservation Areas”, der ab Herbst 2021 starten soll. Was erwartet die Studierenden in dem Lehrgang?
Den Lehrgang haben wir entwickelt, da uns im Rahmen unserer Beratungs- und Planungstätigkeit bewusst geworden ist, dass es zum damaligen Zeitpunkt noch keine akademische Ausbildung für dieses sehr herausfordernde Berufsfeld gab.
Der Masterlehrgang ist nach einem blended learning Konzept aufgebaut. Das Curriculum besteht zum einen aus Grundlagen der Ökologie, Ökonomie und Sozialem und die Studierenden lernen an konkreten Fragestellungen die Welt der Schutzgebiete kennen. Entwicklungszusammenarbeit ist eines der Schwerpunktthemen, weil wir gesehen haben, dass viele Parks aus Entwicklungsideen resultieren. Ein Fokus wird auch auf inter- und transkulturelles Arbeiten gelegt.
Die internationalen Studierenden bringen schon vielseitige Erfahrungen mit und lernen viel voneinander. Wir sind auch sehr stolz auf unsere Lehrenden und dass sie sich die Zeit nehmen können, um nach Österreich zu kommen. In den Präsenzphasen beschäftigen wir uns intensiv mit konkreten Gebieten. Wir wandern von einem Schutzgebiet zu nächsten und die Studierenden können sich unmittelbar vor Ort ein Bild machen.

Welche Projekte sind für die Zukunft geplant?
Für die Forschung habe sich drei Schwerpunkte herauskristallisiert: Ein Fokus liegt auf den Wechselwirkungen von Gesellschaft und Natur, die wir in ihrer ganzen Komplexität weiter erforschen möchten. Auch werden wir die Potentiale und Möglichkeiten der neuen Technologien für den Naturschutz ausloten. Da haben wir zwei große Projektanträge in Vorbereitung. Wir sind auch dabei, einen neuen Studiengang zu Naturschutztechnologien zu entwickeln, in dem wir Wissen aus unterschiedlichen Bereichen zusammenzuführen.
Das dritte Schwerpunktfeld ist Citizen Science. Die Einbeziehung von Bürger*innen in Forschungsprozesse bietet eine unglaubliche Identifikationsmöglichkeit und ist im weitesten Sinne auch ein spannendes Instrument für Bildungs- und Bewusstseinsarbeit.

Kurzvitae Michael Jungmeier
Bereits seit 2019 hat der Ökologe und Humangeograph Michael Jungmeier die Professur für Naturschutz und nachhaltige Entwicklung an der FH Kärnten inne. Er hat sich in Wissenschaft, Lehre und Beratungspraxis mit Mensch-Umwelt-Beziehungen am Beispiel von Schutzgebieten beschäftigt und dazu zahlreiche Forschungsprojekte geleitet und Publikationen verfasst. Michael Jungmeier ist Gründer des international tätigen Beratungs- und Forschungsunternehmen E.C.O. Institut für Ökologie in Klagenfurt. Neben der wissenschaftlichen Leitung des Masterlehrgangs „Management of Conservation Areas“ unterstützt er den Zertifikatslehrgang „Naturschutzfachkraft“, welcher in Zusammenarbeit mit dem Studiengang Bauingenieurwesen an der FH Kärnten angeboten wird.

Links

Inspirierende, innovative und interaktive Lern- und Lehrformate: Lernreise im Lakeside Science & Technology Park, Klagenfurt.
© E.C.O.
Nachhaltiges Management von Schutzgebieten als weltweite Herausforderung: Yak-Karawane im Sagarmatha Nationalpark, Nepal
© E.C.O.
Dr. Michael Jungmeier ist seit Frühjahr 2020 Lehrstuhlinhaber des "UNESCO Chair for Sustainable Management of Conservation Areas“ an der Fachhochschule Kärnten.
© Helge Bauer