Springe zum Hauptinhalt

Presse

der Österreichischen UNESCO-Kommission  
Foto: © Colourbox.de / Eduardo

Ein Kampf gegen Windmühlen? Künstliche Intelligenz, Desinformation und Journalismus

15.03.2024

Angesichts der zunehmenden Verbreitung von generativer Künstlicher Intelligenz (KI) steht der Journalismus vor neuen Herausforderungen. Dazu zählen insbesondere der Umgang mit Desinformation und die Sicherung von ethischen Grundprinzipien im Umgang mit KI. Wie Journalist*innen den damit einhergehenden Anforderungen gerecht werden können und wo die Politik gefragt ist, diskutierten Wiebke Loosen (Leibniz Institut für Medienforschung), Sabine Köszegi (TU Wien), Ashwien Sankholkar (Dossier) und Florian Schmidt (APA) auf einer Podiumsdiskussion der Österreichischen UNESCO-Kommission und der FHWien der WKW. Eingeleitet wurde die Veranstaltung durch eine Key Note von Eva Wackenreuther (AFP).

In den letzten Monaten hat sich generative Künstliche Intelligenz rasant verbreitet – und die Technologie verbessert sich laufend. Florian Schmidt, Leiter des APA-Faktencheck-Teams, geht davon aus, dass es nur noch wenige Monate dauern werde, bis KI-generierte Bilder und Videos kaum noch als solche erkennbar seien. In wenigen Jahren, so Schmidt, werde die Mehrheit der Inhalte im Internet KI-generiert sein. Skeptischer zeigt sich hingegen Sabine Köszegi, Professorin an der TU Wien und Vorsitzende des Fachbeirats Ethik der Künstlichen Intelligenz an der Österreichischen UNESCO-Kommission. Sie wies auf die nach wie vor bestehenden Schwachstellen von generativer KI hin und rechnet in absehbarer Zeit nicht mit einer Perfektionierung entsprechender Tools.

Dass die Erstellung KI-generierter Fotos und Videos zumindest schon ausgesprochen einfach ist, zeigte Eva Wackenreuther, Faktencheckerin bei der Nachrichtenagentur AFP, in ihrem Eröffnungsvortrag. Sie warnt, dass Desinformationskampagnen durch die Verwendung derartiger Inhalte im „Superwahljahr“ 2024 mit weltweit 3,5 Milliarden Wähler*innen deutlich zunehmen dürften. KI sei in diesem Zusammenhang ein potenzieller Brandbeschleuniger und verzerre das politische Spielfeld in Richtung der lautesten und emotionalsten Ideen. Infolge steige die Informationsunsicherheit in der Bevölkerung, so etwa das generelle Misstrauen gegenüber Inhalten, unabhängig von der Seriosität der Quelle. Mitunter werde auch gezielt versucht, Journalist*innen mit Hilfe von Mis- und Desinformation zu diskreditieren, so Ashwien Sankholkar, Investigativjournalist bei der Rechercheplattform DOSSIER.

Der Einsatz Künstlicher Intelligenz geht freilich nicht nur mit Herausforderungen einher, sondern birgt auch enorme Chancen für das journalistische Arbeiten, zum Beispiel erleichtert KI das Fact Checking, die Überprüfung von Inhalten auf ihre Echtheit. Hier ist bereits heute festzustellen, wie die KI journalistische Arbeitsweisen verändert. Einerseits gebe das, so die Teilnehmer*innen, Hoffnung, dass im redaktionellen Alltag bestimmte (unliebsame) Aufgaben an KI-Tools delegiert werden könnten und so Ressourcen für journalistische Kerntätigkeiten (z.B. ausführliche Recherche) frei würden. Wie auch in anderen professionellen Feldern sei aber zu befürchten, dass tendenziell Arbeitsplätze verloren gingen. Aktuellen Schätzungen zufolge sei zum Beispiel für die USA davon auszugehen, dass bis 2030 bis zu 30 Prozent der derzeit geleisteten Arbeitsstunden automatisiert werden könnten, so Köszegi. Hier gelte es, so die Teilnehmer*innen unisono, für Medienunternehmen, aber auch gesamtgesellschaftlich, Verantwortung dafür zu übernehmen, welche Aufgaben in Zukunft der KI übergeben werden und was weiterhin jedenfalls in der Hoheit menschlicher Akteur*innen verbleiben müsse.

Einig waren sich die Panel-Teilnehmer*innen auch darin, dass Künstliche Intelligenz journalistische und redaktionelle Arbeitsprozesse, das professionelle Selbstverständnis sowie die Informationsumgebung, in der Journalist*innen operieren, verändere und es auch in Hinblick auf KI als Berichtsgegenstand neue Kompetenzen brauche, wie die Journalismusforscherin Wiebke Loosen zusammenfasste. Genauso wesentlich wie gesetzliche Regelungen (und Sanktionsmöglichkeiten) seien daher die professionellen Standards und die Weiterentwicklung berufsethischer Normen.

Darüber hinaus diskutierten die Expert*innen über Transparenzfragen, Auszeichnungspflichten und Verantwortlichkeit. Die liege am Ende immer noch beim Menschen. Künstliche Intelligenz sei nämlich kein moralischer Agent (moral agent), so Köszegi, sondern vielmehr ein Spiegelkabinett unserer gesellschaftlichen Vorurteile. Künstliche Intelligenz reproduziere dabei nicht nur Biases und Diskriminierung, sondern verstärke diese deutlich. Regulierung von staatlicher Seite brauche es auch angesichts der ungebrochenen Marktmacht der großen Technologieunternehmen – und ebenso ein Verständnis von Daten und Informationszugang als kritische Infrastruktur.

Ausgangspunkt für die Veranstaltung war die UNESCO-Empfehlung zur Ethik der Künstlichen Intelligenz. Im November 2021 von 193 Staaten verabschiedet, beinhaltet die Empfehlungen klar definierte Prinzipien für die ethische Entwicklung und den Einsatz von KI in elf Anwendungsfeldern, darunter solche mit engem Journalismus- und Medienbezug. Was die Empfehlung darüber hinaus auszeichnet, ist ihr starker Bezug auf die Menschenrechte, Nachhaltige Entwicklung sowie Umweltaspekte. Seit Juli 2023 unterstützt ein Expert*innenbeirat an der Österreichischen UNESCO-Kommission die Umsetzung der Empfehlung auf nationaler Ebene.

Lesen Sie hier mehr: Ethik der Künstlichen Intelligenz (unesco.at)

Über die Veranstaltung:
„Künstliche Intelligenz und (Des-)Information – Journalismus in der Verantwortung?“, 12. März 2024

Key Note von Eva Wackenreuther: “Lügen haben lange Beine. KI & Desinformation“

Podiumsdiskussion mit Wiebke Loosen (Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut), Sabine Köszegi (TU Wien, Vorsitzende des Fachbeirats Ethik der KI der Österreichischen UNESCO-Kommission), Ashwien Sankholkar, Dossier), Florian Schmidt (Austria Presse Agentur)

Moderation: Iris Bonavida (Profil)

Galerie

Kontakt

Presse / Öffentlichkeitsarbeit

Tel.: +43 / 1 / 526 13 01
E-Mail: presse@unesco.at