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Immaterielles Kulturerbe

Bräuche, Wissen, Handwerkstechniken  
Foto: © UNESCO/James Muriuki

Scheibenschlagen
Gesellschaftliche Praktiken in Tirol, Vorarlberg, aufgenommen 2015

  • Funkenzunft Gortipohl
  • Heimatschutzverein Montafon
  • Funkenzunft Nenzing

Scheibenschlagen wird zumeist am ersten Sonntag der Fastenzeit, auch Funkensonntag oder "Kassunnti" genannt, in mehreren Orten in Südvorarlberg und Tirol praktiziert. Eigens angefertigte Scheiben aus meist Erlen- oder Birkenholz werden auf 70 bis 200 cm lange Holzstöcke gesteckt, im sogenannten Vorfeuer zum Glühen gebracht und mit Hilfe einer kleinen Holzbank von den Stöcken abgeschlagen. Bei einem gelungenen Schuss beschreibt die glühende Scheibe einen leuchtenden Bogen am dunklen Nachthimmel.

Dazu werden Sprüche gerufen, die sich an bestimmte, namentlich genannte Personen aus dem Ort richten – zur Ehre, zum Spott oder um heimliche Liebschaften aufzudecken. Ausführende sind häufig Burschen, Jugendliche, Schulkinder, vor allem aber Vereine, wie die Funkenzünfte oder Freiwillige Feuerwehr. Die Ursprünge der Praktik lassen sich nicht mehr bestimmen. Ab dem 17. Jahrhundert gibt es zum Scheibenschlagen historische Quellen, wobei diese oftmals das Verbot der feuergefährlichen Praktik beschreiben. Während zu Beginn des 20. Jahrhundert noch in mehreren Orten Tirols und Vorarlberg das Scheibenschlagen durchgeführt wurde, schwand die Anzahl stetig. Heute sind es nur mehr wenige Gemeinden in Südvorarlberg und elf in Tirol, in welcher die Tradition stattfindet.

Scheibenschlagen beinhaltet das Ausholen der Scheibenschlager*innen ihrer angeglühten Scheiben mit dem Haselstock aus dem Feuer bei völliger Dunkelheit, das Schwingen der Scheiben, ehe sie diese über den Scheibenstock in den Nachthimmel hinausschlagen werden. Jedem Haushalt wird eine Scheibe gewidmet. Meist wird die wie eine Rakete hinausfliegende Scheibe mit einem humoristischen Spruch begleitet, der auf eine besondere Begebenheit im vergangenen Jahr Bezug nimmt. Als Schlagstöcke werden hauptsächlich 70 bis 200cm lange bis zu 2 1/2 cm dicke Stöcke verwendet. Die Abschlagrampen sind 2 bis 3m lange Bretter, die auf einem 50 bis 70 cm hohen Holzbock befestigt sind. Die Verwendung des Holzes für das Scheibenschlagen, ist jedoch orts- und ressourcenabhängig. Die Scheibenschläger*innen, trachten ihre Scheiben möglichst hoch und weit hinauszuschlagen. Besucher*innen versammeln sich zur selben Zeit an einem Platz, von dem man die Flugbahnen der geschlagenen Scheiben besonders gut beobachten kann. Beendet ist der Tag, wenn alle Haushalte ihre Scheibe samt Gruß geschleudert haben.

Das Scheibenschlagen hat eine soziale und lokal verankerte Bedeutung, bei der die lokale Bevölkerung gleichsam wie Besucher*innen zusammenkommen. Auf ihre soziale Wichtigkeit weisen auch Flurnamen hin, auf denen Scheiben (ehemals) geschlagen wurden (z. B. Scheibenbödele in Pettneu am Arlberg). Die Praxis hat im Laufe des 20. Jahrhunderts in vielen Ortschaften zunehmend an Bedeutung verloren; jedoch in den letzten Jahren durch die Bemühungen lokaler Vereine und der Bevölkerung in Tirol und Vorarlberg, wieder an regionaler Bedeutung und Wiederaufleben in einigen Ortschaften gefunden. Trotz lokaler Variationen in beispielsweise: Verwendung der Holzarten, den während des Schlagens aufgesagten Sprüchen, der Bezeichnung der Praxis und des genauen Ablaufs und Rahmengestaltungen (wie das Verbrennen der Puppe oder das Servieren bestimmter Speisen wie „Kaskiachler“), ist das Scheibenschlagen in ihrer Grundausübung und Bedeutung von einer überregionalen Dimensionen gekennzeichnet.

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