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Presse

der Österreichischen UNESCO-Kommission  
Foto: © Colourbox.de / Eduardo

Kandidatur für immaterielles UNESCO-Kulturerbe: Traditionelle Bewässerung in Europa

31.03.2022

Das umfangreiche Wissen rund um traditionelle Bewässerung soll Teil des immateriellen UNESCO-Kulturerbes werden. Österreich, Belgien, Deutschland, Italien, Luxemburg, Niederlande und die Schweiz stellen einen gemeinsamen Antrag zur Aufnahme in die „Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit“.

„Kultur und Nachhaltigkeit sind eng miteinander verbunden. Das alte Wissen um die traditionelle Bewässerung stellt bis heute eine nachhaltige, energieunabhängige und auf die biologische Vielfalt ausgerichtete Lösung für die Wasserversorgung in der Landwirtschaft dar. Es ist mir ein Anliegen, dass das traditionsreiche Wissen und die erforderlichen Fertigkeiten weitergegeben und sichtbar gemacht werden, weil sie ein wichtiger europäischer Kulturfaktor sind und der nachhaltigen Entwicklung, insbesondere im Umgang mit regionalen Ressourcen, dienen“, freut sich Staatssekretärin Mayer über die Einreichung der traditionellen Bewässerung in Europa für die UNESCO Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit.

Österreich hat den Antrag gemeinsam mit Belgien, Deutschland, Italien, Luxemburg, Niederlande und der Schweiz ausgearbeitet. Ziel ist es, das mit der Bewässerung verbundene Wissen, die kulturelle Bedeutung und sozialen Praktiken auch international sichtbar zu machen. Die UNESCO wird die Kandidatur in einem mehrmonatigen Verfahren evaluieren. Ein Ergebnis über die Aufnahme liegt voraussichtlich im Dezember 2023 vor.

Die wichtige lokale Bedeutung, die der traditionellen Bewässerung beigemessen wird, wurde bereits durch die Eintragung der Praxis in die nationalen Listen des immateriellen Kulturerbes in allen sieben beteiligten Ländern erkannt, in Österreich die Rieselbewässerung im Tiroler Oberland. Mit der gemeinsamen Einreichung bei der UNESCO soll diese nachhaltige Tradition auch international auf breiter Ebene sichtbar gemacht werden.

„Als Zeichen der erfolgreichen länderübergreifenden Kooperation zwischen Traditionsträger:innen und Staaten ist die transnationale Nominierung der Traditionellen Bewässerung eine besondere Freude für die Österreichische UNESCO-Kommission. Dieses Element des Immateriellen Kulturerbes macht deutlich, wie altes, tradiertes Wissen zur nachhaltigen Entwicklung im Umgang mit unserer Umwelt beitragen kann. Traditionelle Bewässerung prägt dabei nicht nur die Identität der Gemeinschaften, sondern auch die umliegende Landschaft. Wir hoffen sehr, dass diese Einreichung Erfolg haben wird und dadurch die Vielfalt des lebendigen Erbes international bereichert.“ so Sabine Haag, Präsidentin der Österreichischen UNESCO-Kommission.

Um den gesamten Reichtum national gelebter Praktiken weiter sichtbar zu machen, wurde kürzlich eine Übersicht über alle 147 im Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes in Österreich gelisteten Traditionen veröffentlicht, die online sowie als Broschüre verfügbar ist.

- Presseaussendung, Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, 31. März 2022


Das Element der Traditionellen Bewässerung

Traditionelle Bewässerung ist eine landwirtschaftliche Bewässerungsart, die auf strategischer Nutzung der Schwerkraft und manuell angelegter Konstruktionen wie Kanäle und Gräben beruht, um Wasser aus verschiedenen natürlich vorkommenden Quellen in die Felder zu leiten. Die Bewässerer*innen wählen bestimmte (oft über Regelwerke vorgegebene) Zeiträume aus, an denen sie das Wasser aus den Kanälen zu den Feldern umleiten. Um die Felder zu bewässern, werden vorübergehend kleine Gräben ausgehoben oder das Wasser aufgestaut und künstliche Überläufe geschaffen. Ein umfangreiches Verständnis der Landschaft, des Wasserflusses und der Wetterbedingungen ist erforderlich, um diese Methode nachhaltig und effizient anwenden zu können.

Die Rieselbewässerung in Österreich

Die Traditionelle Bewässerung findet in Österreich im Tiroler Oberland statt, vor allem in den Gemeinden rund um Landeck. Die hier als Rieselbewässerung bezeichnete Methode ist eine jahrhundertealte Praxis der Landbewirtschaftung der inneralpinen Trockengebiete. Über eine Einkehr wird Wasser von einem Bach in den Hauptwaal (Kanal) geleitet, in dem es bei geringer Neigung zu den zu bewässernden Grundstücken fließt. Hier wird dann das Wasser durch Wasserbretter oder Wassereisen aufgestaut und die Gravitation ist die energietreibende Kraft, die das Wasser über den Hang laufen lässt.  Diese Methode wird heute von neun Genossenschaften in acht Gemeinden des Tiroler Oberlandes praktiziert.

Immaterielles Kulturerbe und die UNESCO – regionale Traditionen und lokales Wissen schützen und dokumentieren

Ergänzend zur UNESCO-Welterbekonvention wurde 2003 die Konvention zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes von der UNESCO ins Leben gerufen. Damit wurde der Fokus auf das überlieferte Wissen der Menschen und ihren Umgang mit lokalen Ressourcen und Gegebenheiten gesetzt und den vielfältigen gelebten Traditionen internationale Aufmerksamkeit geschenkt. Traditionelle Bewässerung als Jahrtausend altes Wissen leistet einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung und zum Umgang mit regionalen Ressourcen und fördert den Zusammenhalt innerhalb der Gemeinschaft. So trägt die Praxis durch ihren Beitrag zur Grundwassererhöhung beispielsweise dazu bei, Hochwasserschutzgefahren, sowie die Auswirkungen des Klimawandels auf lokaler Ebene abzumildern (SDG 13 Klimaschutz). Die mit der Bewässerung verbundenen Kanäle (Waale) tragen ebenso positive zur Erhaltung und Erhöhung der lokalen Biodiversität bei (SDG 15 Leben an Land). 

Wer entscheidet über eine Aufnahme auf UNESCO Ebene?

Die Vertragsstaatenkonferenz ist das oberste Organ der 2003er UNESCO-Konvention zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes, der bisher 180 Staaten beigetreten sind, und wählt u.a. das Zwischenstaatliche Komitee. Jeweils 24 Mitgliedstaaten sind für eine Amtszeit von vier Jahren im Zwischenstaatlichen Komitee vertreten und entscheiden über die Aufnahme von Elementen in die drei internationalen Listen. Das Komitee tagt einmal jährlich und wird voraussichtlich bei ihrer 18. Sitzung im Dezember 2023 über eine Aufnahme der Traditionellen Bewässerung in Europa abstimmen. 

Die internationalen Listen des immateriellen Kulturerbes

Einzelne Traditionen aus dem Nationalen Verzeichnis können für die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit (derzeit 529 Eintragungen) nominiert werden. Daneben besteht auch die Möglichkeit sich für das Register Guter Praxisbeispiele (derzeit 29 Eintragungen) oder der Liste des dringend erhaltungsbedürftigen Kulturerbes (derzeit 71 Eintragungen) zu bewerben. Die Traditionelle Bewässerung wird für die Repräsentative Liste eingereicht. Der Prozess zur Erarbeitung und Einreichung des Antrages (auch Dossier genannt) kann mehrere Jahre dauern. Die Auswertung des Antrags von Seiten des zwischenstaatlichen Komitees nimmt weitere 1-2 Jahre in Anspruch.

Die Elemente dieser Liste werden dann als immaterielles Kulturerbe der Menschheit und nicht als Weltkulturerbe bezeichnet. (Als Weltkulturerbe gelten Baudenkmäler, Stadtensembles und Kulturlandschaften, die von besonderem Wert für die Menschheit sind).

Links

Austauschtreffen aller Trägerschaften in Zams, Oktober 2021
© Weitblickfilm
Traditionelle Bewässerung in den Niederlanden mit Waaleisen
© Eric Brinckmann
Verteilung des Wassers durch ausgewählte Person in der Schweiz
© André Meier (Schweiz Tourismus) und Stiftung Landschaftsschutz Schweiz
Nadelwehr bei der Wiesenbewässerung in Deutschland
© Forchheim Landschaftsschutz
Gemeinschaftsarbeit in den sogenannten Waalen (Kanäle zur Wasserzuleitung)
© Albert Jansen
Aufstauung des Wassers auf der Malser Haide, Italien
© Heimatpflegeverband Südtirol
Werkzeuge zum Fléizen (Bewässern) in Luxemburg
© Naturpark Öewersauer
Perjenner Waal
© Christian Leibundgut

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