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Presse

der Österreichischen UNESCO-Kommission  
Foto: © Colourbox.de / Eduardo

8. September: UNESCO Welttag der Alphabetisierung

08.09.2022

Nach Angaben der UNESCO könnten nach der Pandemie fast 24 Millionen Lernende nicht mehr in die formale Bildung zurückkehren, von denen 11 Millionen Mädchen und junge Frauen sein dürften.

Regierungen auf globaler, nationaler und lokaler Ebene setzten, vor allem während COVID-19, fast durchgängig auf die Fortsetzung der formalen Grund- und Hochschulbildung und sind ganz oder teilweise zu digitalen Lernräumen übergegangen. Die digitale Transformation der Lernräume alleine ist jedoch nicht ausreichend: Laut dem von der International Commission on the Future of Education (2021) veröffentlichten Bericht ist es für die Zukunft unabdingbar, dass die globale Gemeinschaft und die nationalen Regierungen den unverhältnismäßigen Zugang zur Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), einschließlich des Zugangs zu grundlegenden Ressourcen wie Strom und Internet im Haushalt, angehen.[1] Außerdem ist ein gerechter, inklusiver und generationenübergreifender Ansatz, der auf die Lernbedürfnisse sowie die sozialen und emotionalen Bedürfnisse der Lernenden eingeht, von entscheidender Bedeutung, vor allem für diejenigen, die aufgrund der verstärkten Anfälligkeit in turbulenten globalen Kontexten am meisten gefährdet sind.[2]

Der CONFINTEA VII-Aktionsrahmen betont die Bedeutung der Erwachsenenbildung für die politische Teilhabe, den sozialen Zusammenhalt, die Gleichstellung der Geschlechter und damit für den gesamten sozioökonomischen Nutzen für die*den Einzelne*n, die Gemeinschaften und die Gesellschaft. Im Jahr 2020 gab es weltweit 771 Millionen Analphabet*innen, davon zwei Drittel Frauen, denen es an grundlegenden Lese- und Schreibkenntnissen mangelt, und die dadurch bei der Bewältigung ihrer Gesundheit, ihrer Arbeit und ihres Lebens insgesamt stärker gefährdet sind.[3]

Lernräume für Alphabetisierung umgestalten: Einbeziehen, Anpassen und Transformieren

Alphabetisierungsräume umfassen das physische Umfeld, die Lernmaterialien und die Aktivitäten, die für die Schaffung des Raums erforderlich sind: Das soziokulturelle und das politische Umfeld, Partnerschaften und die Bewertung von Alphabetisierungsaktivitäten sind für die Aufrechterhaltung dieser Räume entscheidend.[4] Mit einer erweiterten Definition von Alphabetisierung wird deutlich, dass das Erlernen von Lese- und Schreibfähigkeiten nicht nur im traditionellen „Klassenzimmer“ stattfindet, sondern auch in informellen und nicht-formalen Lernorten.[5] Gemäß den UNESCO-Empfehlungen des Bildungsgipfels der Vereinten Nationen (Transforming Education Summit, Thematic Action Track 2 on Learning and Skills for Life, Work, and Sustainable development) sind  Flexibilität, Nähe, leichter Zugang und Verbindung mit dem Arbeitsmarkt leitende Faktoren für die Umgestaltung der Alphabetisierungsräume für Jugendliche und Erwachsene. Die Umgestaltung umfasst nicht nur eine nachhaltigere Verwaltung der physischen Einrichtungen, sondern auch Veränderungen in der Governance-Struktur der Bildungssysteme und -institutionen, indem die Ergebnisse des Alphabetisierungslernens in informellen und nicht-formalen Kontexten durch flexible datengestützte Überwachungs- und Evaluierungsprozesse anerkannt, validiert und akkreditiert werden können.

Einbeziehen: Kontinuität des Lernens und digitale Kompetenzen
Auf Lernende ausgerichtete Alphabetisierungsräume: Die Einbeziehung verschiedener Arten von Alphabetisierungsräumen, wie z. B. zu Hause, in der Gemeinde, am Arbeitsplatz, in digitalen und hybriden Räumen, gewährleistet einen ganzheitlichen Ansatz, indem sie alle wichtigen Akteure einbezieht und die Lernbedürfnisse von Jugendlichen und Erwachsenen mit unterschiedlichen Profilen und Kontexten erfüllt. Es ermöglicht die Einbeziehung von Randgruppen, gewährleistet die Kontinuität des Lernens und befähigt die Lernenden, aktive Bürger*innen zu sein. Darüber hinaus können diese Räume die Alphabetisierung in der Landessprache fördern und die Lernenden dabei unterstützen, neben der Alphabetisierung in den Landessprachen auch jene in ihrer Erstsprache zu erlangen.

Entwicklung von Lernräumen für digitale Kompetenz: Für den Erfolg jedes*r Lernenden ist es weniger wichtig, den Lernstoff zu beherrschen, sondern zu lernen, wie man lernt. IKT-gestütztes Lernen sowohl in Hightech- als auch in Lowtech-Systemen könnte genutzt werden, um innovative Lernpraktiken wie selbstgesteuertes Lernen für Jugendliche und Erwachsene zu entwickeln und zu verbreiten und die Voraussetzungen für lebenslanges Lernen zu schaffen.

Anpassen: Über digitale Lernräume hinaus, für eine inklusive und gerechte Bildung für alle
Die plötzliche und massive Umstellung auf digitales Lernen als Reaktion auf COVID-19 stellt sowohl eine Chance für Innovation als auch ein Risiko für die Verschärfung der bestehenden Ungleichheiten beim digitalen Lernen unter Jugendlichen und Erwachsenen auf der ganzen Welt dar. Die wachsende digitale Kluft in Bezug auf Konnektivität, Infrastruktur und die Fähigkeit, Technologie zu nutzen, um qualitativ hochwertige Bildung für alle zu bieten, schließt mindestens ein Drittel der Lernenden vom Fernlernen aus.[6] Aufgrund sprachlicher und geografischer Barrieren sowie Faktoren wie Rassismus, Diskriminierung und mangelnder kultureller Relevanz gibt es erhebliche Lücken bei der Einbeziehung von ethnischen Minderheiten in die formalen Bildungssysteme.[7] Die Alphabetisierungsräume müssen für alle angepasst werden: Es muss geschlechtsspezifische Räume, Räume für Flüchtlinge, Binnenvertriebene und Migrant*innen sowie Räume mit Low-Tech- oder No-Tech-Lösungen für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen geben.

Transformieren: Verknüpfung von Lernwegen
Historisch gesehen findet der Erwerb von Lese- und Schreibkenntnissen für Jugendliche und Erwachsene außerhalb der formalen Bildungssysteme durch nicht-formale und informelle Lernmechanismen statt, wie z. B. am Arbeitsplatz, in Unternehmen, in der Familie, beim Spielen oder in sozialen Medien etc. Die in diesen Systemen erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse eröffnen Karrierechancen und ermöglichen die Teilnahme an der Gesellschaft als aktive Mitglieder und nicht als passive Empfänger*innen von Umständen. Die Alphabetisierungsräume wandeln sich, und die Politik und die Strategien müssen mit diesem Wandel Schritt halten, indem sie eine gezielte Finanzierung vorsehen und die Anerkennung, Validierung und Akkreditierung der informellen und nicht-formalen Lernergebnisse auf systemischer Ebene ermöglichen. Die Erfassung dieser Lernergebnisse durch Monitoring- und Evaluierungsmethoden ist von entscheidender Bedeutung für die Unterstützung bestehender und zukünftiger Veränderungen in Alphabetisierungsräumen.


[1] Reimagining our futures together — A new social contract for education unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000379707/PDF/379707eng.pdf.multi 
[2] The impact of COVID-19 on student equity and inclusion: Supporting vulnerable students during school closures and school re-openings (oecd.org)
[3] 2020, UIS
[4] Im Großen und Ganzen bestehen Alphabetisierungsräume aus sechs grundlegenden Elementen: (1) Alphabetisierungsmaterialien und -aktivitäten, (2) das physische Umfeld - die beiden Elemente, die die Schaffung von Alphabetisierungsräumen erleichtern - und (3) das soziokulturelle Umfeld, (4) das politische Umfeld, (5) die Bewertung und (6) Partnerschaften - die die Aufrechterhaltung dieser Räume erleichtern. unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000214653 
[5] Lese- und Schreibfähigkeit ist die Fähigkeit, gedruckte und geschriebene Materialien in unterschiedlichen Zusammenhängen zu erkennen, zu verstehen, zu interpretieren, zu erstellen, zu kommunizieren und zu berechnen. Lese- und Schreibkompetenz umfasst ein ganzes Spektrum von Lernprozessen, die die Einzelnen in die Lage versetzen, ihre Ziele zu erreichen, ihr Wissen und ihr Potenzial zu entwickeln und in vollem Umfang an ihrer Gemeinschaft und der Gesellschaft im weiteren Sinne teilzuhaben. Im Allgemeinen umfasst die Lese- und Schreibkompetenz auch die Fähigkeit, einfache arithmetische Berechnungen durchzuführen. (UIS, 2017)
[6] en.unesco.org/news/international-day-education-2022-changing-course-transforming-learning
[7] Reimagining our futures together — A new social contract for education. https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf000037970

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