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Presse

der Österreichischen UNESCO-Kommission  
Foto: © Colourbox.de / Eduardo

10 Neuzugänge und eine Erweiterung im Österreichischen Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes

12.10.2022

Von der gesellschaftlichen Praktik der Patscher Schellenschlagerinnen bis zum Wissen der Bestatter*innen: Mit 12. Oktober 2022 werden zehn weitere Elemente in das nationale Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes in Österreich aufgenommen und stellen eine bereichernde Ergänzung zur Vielfalt gelebter Praktiken in Österreich dar. Insgesamt sind nun im österreichischen Verzeichnis 157 Traditionen gelistet.

Unter „Immateriellem Kulturerbe versteht die UNESCO verschiedenste Künste, gesellschaftliche Praktiken, Bräuche, Feste, Naturwissen oder Handwerkstechniken, die von Menschen ausgeübt, weitergegeben und weiterentwickelt werden. Seit 2003 werden weltweit im Rahmen des „UNESCO-Übereinkommens zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes“ verschiedenste kulturelle Ausdrucksformen dokumentiert und sichtbar gemacht.

157 österreichische Traditionen in unserem nationalen Verzeichnis und 8 internationale Eintragungen zeigen eindrucksvoll, wie Menschen mit viel Enthusiasmus unser wertvolles Kulturerbe pflegen, erhalten und weiterentwickeln. Im nächsten Jahr feiern wir das 20-jährige Bestehen der Konvention. Im Jubiläumsjahr wollen wir dieses lebendige Erbe und unsere Wertschätzung dafür noch stärker in den Mittelpunkt rücken ", so Staatssekretärin für Kunst und Kultur Mag.a Andrea Mayer.

Die Besonderheit und Bedeutung der Konvention wird auch von Dr.in Sabine Haag, Präsidentin der Österreichischen UNESCO-Kommission, hervorgehoben: „Die Konvention von 2003 stärkt eine breitere und vertiefte Wahrnehmung von kulturellem Erbe. Praktiken, Erfahrungen, Techniken und Wissensformen, die über Generationen hinweg gepflegt wurden und sich im Verzeichnis widerspiegeln, sind als lebendiges Erbe Ausdruck des Reichtums menschlicher Kreativität. Dabei geht es nicht um die bloße Wiedergabe fragiler Erinnerungen, sondern um die Betonung ihrer vollen gegenwärtigen Lebendigkeit und gesellschaftlichen Bedeutung."

Seit 2010 führt die Österreichische UNESCO-Kommission das Nationale Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes in Österreich. Mit 12. Oktober 2022 wurde das Verzeichnis um zehn Elemente kultureller Ausdrucksformen und lebendiger Traditionen erweitert. Ein Fachbeirat der Österreichischen UNESCO-Kommission entscheidet jährlich über Neuaufnahmen. Das österreichische Verzeichnis zählt mittlerweile 157 Eintragungen. Einzelpersonen, Gruppen und Gemeinschaften sind dazu eingeladen, ihre gelebten Praktiken bei der Österreichischen UNESCO-Kommission einzureichen.

Die zehn Neuaufnahmen in das Österreichische Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes per 12. Oktober 2022

Bereich: Gesellschaftliche Praktiken, Rituale und Feste

  • Patscher Schellenschlagerinnen (Tirol). Der Faschingsbrauch der Patscher Schellenschlagerinnen findet jährlich am Unsinnigen Donnerstag statt. Dabei „läuten“ die nach Größe in Zweierreihe aufgestellten und maskierten Schellenschlagerinnen die Glocken bzw. Schellen im vorgegebenen Rhythmus der Hexe, die den Zug begleitet. Zwar ist das Schellenschlagen auch in anderen Orten zu beobachten, doch im Gegensatz zu vielen anderen Fastnachtsumzügen in Tirol sind die Ausübenden ausschließlich Frauen.
  • Wallfahrt der Goldhauben- und Trachtengruppen des Mostviertels (Niederösterreich). Seit mehr als 60 Jahren findet am 15. August die jährliche Wallfahrt der Goldhauben- und Trachtengruppen des Mostviertels in einem jeweils anderen Ort der Gegend statt. Höhepunkt dabei ist der feierliche Einzug aller rund 1.000 Wallfahrer*innen in die Kirche mit anschließendem Festgottesdienst und Segnung der mitgebrachten Kräuter und der Wallfahrkerze. Die Wallfahrt gilt als wichtiges spirituelles wie auch soziales Ereignis.
  • Weinviertler Kellerkultur (Niederösterreich). Von „Köllamaunn“ [Kellermann] über die „Köllastund“ [Kellerstunde] und die „Köllapartie“ [Kellerpartie] bis hin zur „Köllajausn“ [Kellerjause] – mit der Weinviertler Kellerkultur hat sich eine spezielle Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens entwickelt. Wesentlich dabei ist das Zusammenkommen von Menschen in Presshäusern und Kellern, wobei diese Interaktion weiterhin von tradierten Regeln geprägt ist.
  • Zunfttag der Fleischhauer*innen und Liebfrauenbruderschaft in Gars am Kamp (Niederösterreich). Trotz formeller Aufhebung der Zünfte werden in Gars am Kamp weiterhin kulturelle Praktiken wie der Zunfttag, die Ehrenkranz- und Ehrensiegelverleihungen, die Verleihung des Goldenen Ehrenrings und die Fronleichnamsprozession mit dem Vorantragen der Zunftfahne ausgeübt. Diese Praktiken sowie das bis heute weitergetragene Wissen um das Handwerk haben nach wie vor eine wichtige soziale, ökonomische und ökologische Bedeutung.
  • Wenner Krippentradition (Tirol). Das Krippenbauen und Krippenschauen ist eine Tradition in Wenns, die seit mehr als 150 Jahren mit der Tiroler Ortschaft verbunden ist. Von der „Wenner Kastenschneekrippe“ über die „Wenner Kastenspiegelkrippe“ bis hin zum „Wenner Mooskrippenberg“ – die Instandhaltung, Weiterentwicklung und Aufstellung und der Besuch der Krippen in den Privathäusern erfolgt durch die „Wenner Krippeler“.

Bereich: Wissen und Praktiken in Bezug auf die Natur und das Universum

  • Naufahrt und Schiffsgegentrieb mittels Pferdezug auf der Traun (Oberösterreich). Jahrhundertelang prägte die Salzschifffahrt auf der Traun den Rhythmus und die Praktiken der Orte entlang des Flusses. Dazu gehörten auch das Rudern und Manövrieren der mächtigen, mehrere Tonnen schweren Salzzillen (Arbeitsschiffe aus Holz) auf dem schnell fließenden Gewässer nauwärts (stromabwärts) zur Donau und der Schiffgegentrieb der Zillen (stromaufwärts) mithilfe von Pferden.
  • Traditionelle Bewässerung in der Steinfeldgemeinde Theresienfeld (Niederösterreich). Durch das künstlich angelegte Bewässerungssystem des sogenannten „Tirolerbaches“ in Theresienfeld werden bis heute Gärten und Hausäcker nach festen Regeln und Techniken bewässert. Ende Oktober wird das Wasser „odraht“ [abgedreht], am ersten Aprilsonntag „kummt‘s Wossa wieder“ [kommt das Wasser wieder]. Die Wassergenossenschaft räumt, säubert und kontrolliert dabei die Anlage und überwacht die gerechte Wasserverteilung.
  • Wissen und Praxis der Bestatter*innen (österreichweit). Das Bestatten gehört zu den wesentlichen Elementen menschlicher Kultur und gehört zum Leben jedes Menschen. Die Bestattungs- und Friedhofskultur ist geprägt von lokalen und religiösen Ritualen. Dabei begleiten die Bestatter*innen Menschen bei ihrem letzten Abschied unter Berücksichtigung der verschiedenen Ausdrucksformen des gemeinsamen Trauerns und Abschiednehmens sowie religiöser als auch individueller Ansprüche.

Bereich: Traditionelle Handwerkstechniken

  • Das Freihandschmieden (österreichweit). Feuer, Luft, Wasser und Erde – beim Freihandschmieden wird mit den vier Elementen gearbeitet. Heute wie damals werden Schmiedeeisen und Stahl in glühendem Zustand durch Schlagen oder Drücken in freier Handarbeit und mithilfe entsprechender Werkzeuge bearbeitet. Die daraus entstehenden geschmiedeten (Kunst-)Objekte reichen von herrschaftlichen Insignien bis hin zu profanen Bauelementen.
  • Das Handwerk der österreichischen Zuckerbäckerei (österreichweit). Die Arbeit der Zuckerbäcker*innen ist immer noch zu einem großen Teil Handarbeit. Das Handwerk erfordert Präzision in der Ausführung sowie Kreativität und Anpassung in der Weiterentwicklung. Die Zutaten und die traditionelle Ver- und Bearbeitungsmethoden mit verschiedensten Werkzeugen haben sich im Lauf der Jahrhunderte kaum verändert und dennoch Anpassung und stetige Weiterentwicklung erfahren.

Erweiterung eines eingetragenen Elementes: Erstmals kam es zu einer Erweiterung eines bestehenden Elementes auf dem nationalen Verzeichnis. Das Element Scheibenschlagen, seit 2015 für das Bundesland Vorarlberg eingetragen, wurde durch Ansuchen der Tiroler Ausübenden auf das Bundesland Tirol erweitert. In Tirol sind Entstehung, Zweck, Austragen und die benötigten Handwerkzeuge ähnlich jenen im Vorarlberg. Beispielsweise wird ebenso der 1. Fastensonntag, manchmal „Kassunnti“ genannt, meist als Zeitpunkt gewählt, an dem die Scheiben geschlagen werden. In elf Gemeinden wird es dort ausgeübt.

Alle zehn Neueintragungen und die Erweiterung inklusive weiterführender Informationen sowie Bilder finden Sie online im Österreichischen Verzeichnis.


Das Österreichische Verzeichnis umfasst nun aktuell 157 Eintragungen:
11 aus dem Bereich "mündliche überlieferte Ausdrucksformen", einschließlich der Sprache als Trägerin des Immateriellen Kulturerbes"
26 aus dem Bereich "Darstellende Künste"
62 aus dem Bereich "Gesellschaftliche Praktiken, Rituale und Feste"
19 aus dem Bereich "Wissen und Praktiken im Umgang mit der Natur und dem Universum"
39 aus dem Bereich "Traditionelle Handwerkstechniken".

Auf Instagram werden einzelne Traditionen regelmäßig vorgestellt:
@livingheritage_at mit den #intangibleculturalheritageaustria und #livingheritage 

HINWEIS: Es handelt sich bei den Aufnahmen in das Österreichische Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes NICHT um Eintragungen in die Liste des UNESCO-Welterbes. Nähere Informationen: www.unesco.at/kultur/artikel/article/begriffsklaerung-weltkulturerbe-ist-nicht-immaterielles-kulturerbe-der-menschheit 

Links

Die Schellenschlagerinnen "schellen" im Takt der Hexe am unsinnigen Donnerstag durch Patsch.
© Thomas Nussbaumer
Die Wallfahrt findet jährlich in einer anderen Gemeinde bzw. Wallfahrtsorte im Mostviertel statt.
© Goldhaubengruppe Biberbach
Bei der sogenannten "Köllajausen" werden lokale und regionale Spezialitäten verspeist.
© Michael Staribacher
An verschiedenen Gelegenheiten, begleiten die Zunftmitglieder Prozessionen und Aktivitäten in Gars am Kamp
© Franz Weigl
Das Bauen und Schauen von Krippen im privaten und öffentlichen Raum, ist nach wie vor eine wichtige Praxis für die "Wenner Krippeler"
© Krippenverein Wenns
Die schweren Noriker-Pferde üben während des Jahres gemeinsam mit den Fährleuten für einen harmonischen Ablauf während des Gegenzugs.
© Schifferverein Stadl-Paura
Die Schleusen werden geschlossen, sodass das Wasser zum Überlaufen kommt und somit die umliegenden Flächen bewässert.
© Herbert Halbauer
Die Bestatter*innen wickeln begleiten Menschen zu ihrer letzten Ruhe und kennen dabei die lokalen und glaubensverbundenen Praktiken.
© Pinter
Das Freihandschmieden beinhaltet das Anfertigen eigener Werkzeuge für weitere Schmiedeverfahren.
© Johann Schmutz
Die Herstellung dieser süßen Speisen beruht auf einer Vielzahl Arbeitstechniken wie z.B. das Kochen, Ziehen, Blasen und Spinnen von Zucker, oder das Temperieren und Gießen von Schokolade.
© wildbild
Das Scheibenschlagen verbindet nun die beiden Bundesländer Tirol und Vorarlberg.
© Funkenzunft Nenzing

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