4 Neuaufnahmen in das Nationale Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes
- 27. November 2024
Mit 27. November ist das Nationale Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes um vier Eintragungen reicher geworden. Die neuen Aufnahmen reichen von Praktiken des urbanen Feldes bis hin zu lokal verankerten gesellschaftlichen Abläufen. Damit umfasst das Verzeichnis nun 172 Elemente. Jedes Element auf dem Verzeichnis ergänzt einen Teil der vielen gelebten Praktiken und Fertigkeiten in Österreich. Bundesminister für Kultur Werner Kogler begrüßt die Neuaufnahmen: „Die aufgenommenen Traditionen sind tief in der lokalen Gemeinschaft verankert und bereichern die kulturelle Vielfalt in der jeweiligen Region, sei es in ländlichen oder in städtischen Gebieten.“
Mit drei Einträgen aus dem Bereich „Gesellschaftlicher Praktiken“ und einer aus dem Bereich “Darstellende Künste“, wurde das nationale Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes erweitert. Seit 2010 führt die Österreichische UNESCO-Kommission dieses Verzeichnis, wofür sich interessierte Gemeinschaften oder Gruppen für eine Aufnahme bewerben können. Dabei entscheidet der Fachbeirat für das Immaterielle Kulturerbe, über alle an die UNESCO-Kommission gestellten Bewerbungen. Über folgende vier Praktiken wurde ein positiver Entscheid gefällt:
Die Praxis der Neujahrs-Entschuldigungskarten (Tirol): Die Neujahrs-Entschuldigungskarte (NJEK), eine künstlerisch gestaltete Druckgrafik, ist zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden und enthob Personen/Institutionen von den gesellschaftlich verpflichtenden Neujahrswünschen oder Neujahrsbesuchen. Der Erwerb dieser Karten wird mit Spenden für soziale Zwecke verbunden. Aktuell ist die NJEK der Region Hall in Tirol eine der letzten von ehemals über 50 Karten aus Ortschaften/Städten in ganz Österreich.
Wiener Würstelstandkultur (Wien): Mit dem Verkauf warmer Würstel durch die sogenannten „Bratlbrater*innen“ wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts der Grundstein für die Wiener Würstelstandkultur gelegt. Die sich daraus entwickelnden freistehenden Würstelstände sind seither nicht nur für das Stadtbild, sondern auch als Ort der sozialen Zusammenkunft und den Sprachgebrauch in Wien prägend. Typisch für die Würstelstände sind neben dem freistehenden Stand das Sortiment, die ungezwungene Atmosphäre und der Wortschatz, der sich darum gebildet hat.
Das „Schifferlsetzen“ (Steiermark) ist eine regional verwurzelte Tradition im Mariazellerland rund um den Nikolaustag. Dabei basteln Kinder in den Tagen vor dem Fest in Familienkreisen oder Bildungseinrichtungen kleine Papierschifferl, die sie bunt bemalen. Am „Krampustag“ werden diese Schifferl heimlich bei Verwandten und Bekannten „gesetzt“ und sind dann am Nikolaustag mit Süßigkeiten, Nüssen und anderen Kleinigkeiten gefüllt zur Abholung bereit. Auch heute hat diese Praxis eine identitätsstiftende und gemeinschaftsbildende Bedeutung.
Seitelpfeife: Erzeugung und Spielpraxis (österreichweit): Die Seitelpfeife, auch „Schwegel“ genannt, ist ein traditionelles Holzblasinstrument mit sechs Grifflöchern und wird vor allem im Alpenraum und speziell im Salzkammergut gespielt. Trotz ihrer einfachen Bauweise gibt es heute nur noch wenige Handwerker*innen, die die Seitelpfeife herstellen. Sie bleibt jedoch ein fester Bestandteil der Schützenmusik im Salzkammergut und spielt eine zentrale Rolle bei regionalen Veranstaltungen und Festen.
Alle vier Neueintragungen und die Erweiterung inklusive weiterführender Informationen sowie Bilder finden Sie online im Österreichischen Verzeichnis. Jede Ergänzung verdeutlicht, wie viele verschiedene Praktiken kulturellen Erbes im Sinne der UNESCO in Österreich gefeiert und durchgeführt werden und soll zur Reflexion über die Natur kulturellen Erbes anregen.
Immaterielles Kulturerbe der UNESCO
Zum Immateriellen Kulturerbe gehören Wissen und Können rund um kulturelle Ausdrucksformen wie Tanz, Theater, Musik, Feste und traditionelle Handwerkstechniken – im Umgang mit den lokalen, natürlichen Gegebenheiten. Es drückt Kreativität und Erfindergeist aus, vermittelt Identität und Kontinuität und wird von einer Generation an die nächste weitergegeben.
Zu den Zielen des UNESCO-Übereinkommens zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes (2003) zählt u.a. die Bestandsaufnahme sowie die Sichtbarmachung des Immateriellen Kulturerbes der jeweiligen Staaten durch nationale Verzeichnisse. Das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes in Österreich sammelt und dokumentiert diese vielfältigen Praktiken seit der Ratifizierung des völkerrechtlichen Vertrags im Jahr 2009. Mit der Sichtbarmachung von bislang oft im Verborgenen existierenden Bräuchen und Praktiken entsteht ein neues Verständnis für regionale Besonderheiten, funktionierende Gemeinschaften sowie einen nachhaltigen Umgang mit lokalen Ressourcen.
Das Österreichische Verzeichnis umfasst nun aktuell 172 Eintragungen:
11 aus dem Bereich „mündlich überlieferte Ausdrucksformen", einschließlich der Sprache als Trägerin des Immateriellen Kulturerbes"
28 aus dem Bereich „Darstellende Künste"
70 aus dem Bereich „Gesellschaftliche Praktiken, Rituale und Feste"
20 aus dem Bereich „Wissen und Praktiken im Umgang mit der Natur und dem Universum"
43 aus dem Bereich „Traditionelle Handwerkstechniken".
Die Verwendung des Begriffes Welt(kultur)erbe ist im Kontext der Aufnahmen in das Verzeichnis dabei falsch. Denn es handelt sich beim Welterbe um ein anders völkerrechtliches Instrument (Der Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Menschheit von 1972) und verfolgt andere Ziele als die Konvention zum Schutz des Immateriellen Kulturerbes.
Auf Instagram werden einzelne Traditionen regelmäßig vorgestellt:
@livingheritage_at mit den #intangibleculturalheritageaustria und #livingheritage