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Vielfalt kultureller Ausdrucksformen

Freiräume für Kunst und Kultur  
Foto: © Caroline Minjolle

Die UNESCO-Konvention
über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen

© UNESCO 2010 / Patrick Lages

Am 20. Oktober 2005 hat die internationale Staatengemeinschaft die Konvention verabschiedet. Bis heute sind 152 Vertragsparteien der Konvention beigetreten, darunter alle EU-Mitgliedstaaten, die Europäische Union und zahlreiche Schwellen- und Länder des Globalen Südens.

Die Konvention ist das erste völkerrechtlich bindende Rechtsinstrument, das zeitgenössische Kunst und Kultur in den Mittelpunkt stellt und Prinzipien für eine Kulturpolitik zum Schutz und zur Förderung einer Vielfalt kulturellen Ausdrucks definiert. Sie wird deshalb vielfach als "Magna Charta der Kulturpolitik" bezeichnet.

Warum ist die Konvention erforderlich?

  • Kunst und Kultur sind mehr als eine Ware: Mit der Konvention wurde erstmals in einem internationalen Rechtsinstrument anerkannt, dass kulturelle Güter und Dienstleistungen Träger von Identitäten und Ausdruck von Werten und ästhetischen Positionen sind. Zwar kommt ihnen auch ökonomische Bedeutung als Ware und konsumierbares Produkt zu, ihr Wert erschöpft sich jedoch nicht im finanziell Bezifferbaren. Sie dürfen daher nicht so behandelt werden, als wären sie ausschließlich eine Handelsware. Diese Ansicht war zwar auch vor der Konvention weit verbreitet, eine rechtliche Berufungsgrundlage dafür gab es jedoch nicht.
  • Anerkennung des Rechts eines jeden Staates auf eigenständige Kulturpolitik: Auch dies mag selbstverständlich erscheinen. Tatsächlich aber ist der kulturpolitische Handlungsspielraum von Staaten maßgeblich davon beeinflusst, welche Verpflichtungen Staaten in internationalen Handelsabkommen eingegangen sind. So können Verpflichtungen zur Liberalisierung Staaten davon abhalten, Maßnahmen zu Gunsten der nationalen Kulturproduktion zu etablieren oder Minderheiten- und Nischenprogramme zu fördern. Derartige Maßnahmen würden als "wettbewerbsverzerrend" im Widerspruch zum freien Spiel der Kräfte in einem liberalisierten Markt gelten. Die Konvention verankert daher das Recht von Staaten, Kulturpolitik zu betreiben und ihren kulturpolitischen Handlungsspielraum auch in zukünftigen Handelsabkommen zu wahren.

Welches Ziel hat die Konvention? 

  • Eine Kulturpolitik des Ermöglichens: Staaten sollen durch kulturpolitische Maßnahmen Rahmenbedingungen schaffen, die eine Vielfalt im Angebot kultureller Inhalte in allen Schritten der kulturellen Wertschöpfungskette ermöglicht – von der Förderung der Kreativität und des künstlerischen Schaffensprozesses über die Kulturproduktion und deren nationale wie internationale Verbreitung bzw. deren Vertrieb bis zur Gewährleistung des Zugangs zu einer Vielfalt an kulturellen Angeboten.

 Wie soll dieses Ziel erreicht werden? 

  • Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten: Grundlage jeder Kulturpolitik im Sinne der Konvention ist die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Die freie Meinungsäußerung sowie die Informations- und Kommunikationsfreiheit sind Voraussetzungen für das Schaffen und die Verbreitung vielfältiger kultureller Ausdrucksformen. Ebenso sind die in den Menschenrechtserklärungen verankerten Grundsätze zur kulturellen Selbstbestimmung von Individuen und sozialen Gruppen zu wahren: Die persönliche Wahlfreiheit der künstlerisch-kulturellen Ausdrucksformen und das Recht auf freie und gleichberechtigte Teilhabe an Kultur.

    Beispielhafte Anwendungsfelder: Schutz der Kunstfreiheit; Förderung der sozialen und wirtschaftlichen Rechte von Künstler*innen; Förderung der Gleichstellung der Geschlechter im Kunst- und Kultursektor.
  • Schaffung förderlicher Rahmenbedingungen auf Basis sachlich fundierter, transparenter und partizipativer Politikprozesse: Innerstaatlich zielt die Konvention auf die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für die Etablierung bzw. Absicherung einer vielfältigen Kunst- und Kulturlandschaft. Damit betrifft die Konvention neben der Kulturpolitik im engeren Sinn auch jene Politikbereiche, die sich auf das kulturelle Schaffen, das kulturelle Angebot und die kulturelle Teilhabe auswirken - von der Bildungs- über die Medienpolitik bis zur Wirtschafts- und Handelspolitik. Dies erfordert das Zusammenwirken unterschiedlicher staatlicher Stellen und Ebenen. Ferner kommt der Zivilgesellschaft eine grundlegende Rolle bei der Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu.  Zum einen trägt diese durch eigene Maßnahmen zur Vielfalt bei, zum anderen verfügt sie über wertvolle Expertise und Erfahrungswerte aus der Praxis kultureller Arbeit. Die Konvention fordert daher eine aktive Beteiligung der Zivilgesellschaft an Politikgestaltungsprozessen und deren Monitoring.

    Beispielhafte Anwendungsfelder: Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Lage von Künstler*innen, Anpassung der kulturpolitischen Rahmenbedingungen an das digitale Umfeld; Interministerielle Arbeitsgruppen und Foren zu Beteiligung der Zivilgesellschaft.
  • Erleichterung des internationalen Kulturaustausches: Die Förderung einer Vielfalt im Angebot kultureller Inhalte impliziert die Förderung des  grenzüberschreitenden Austausches. Der globale Handel mit kulturellen Gütern und Dienstleistungen ist jedoch nach wie vor durch starke Asymmetrien gekennzeichnet. So belief sich 2013 der Anteil aller Länder des Globalen Südens am weltweiten Export kultureller Dienstleistungen (z. B. Filme, Musik, Tanz- oder Musikaufführungen) auf nur 1,6 Prozent. Die Konvention fordert daher von Ländern des Globalen Nordens, Erleichterungen und Vorzugsbehandlungen für kulturelle Güter und Dienstleistungen aus Ländern des Globalen Südens zu schaffen, um einen ausgewogenen Austausch zu ermöglichen. Neben dem Austausch von Gütern gilt es jedoch auch, persönliche Kontakte und Begegnungen zu ermöglichen. Ein zentraler Bestandteil der Konvention ist daher die Erleichterung der grenzüberschreitenden Mobilität von Künstler*innen. Bestehende Mobilitätsbarrieren erschweren jedoch einen ausgewogenen internationalen Kulturaustausch. Die Konvention fordert daher insbesondere von Staaten des Globalen Nordens, Maßnahmen zur Erleichterung der persönlichen Mobilität von Kunst- und Kulturschaffenden zu ergreifen, damit diese ihre Netzwerke erweitern und Zugang zu neuen Märkten erhalten können.

    Beispielhafte Anwendungsfelder: Förderung der Mobilität von Kunst- und Kulturschaffenden durch Austauschprogramme, Überprüfung der Visa- und Ausländerbeschäftigungsbestimmungen, Abschluss von Ko-Produktions- und Ko-Distributionsabkommen; Handelserleichterungen für Kulturgüter aus Ländern des Globalen Südens.
  • Berücksichtigung von Kultur in nationalen und internationalen Entwicklungsstrategien: Um Bedingungen für eine kulturell nachhaltige Entwicklung zu schaffen, gilt es, Kultur als eigenständige Dimension in Entwicklungspläne zu integrieren sowie Auswirkungen und Synergien zwischen den unterschiedlichen Politikfeldern zu berücksichtigen ("Kulturverträglichkeitsklausel"). So kann die Kultur- und Kreativwirtschaft ein wichtiger Motor für Politiken sein, die auf sowohl wirtschaftlich als auch kulturell nachhaltige Entwicklung abzielen,  zu einer gerechteren Verteilung kultureller Ressourcen führen und zu Fairness und Nicht-Diskriminierung in der kulturellen Teilhabe beitragen. Die Unterstützung für Kultur im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit hat seit 2005 jedoch abgenommen und stellt damit eine globale Herausforderung dar.

    Beispielhafte Anwendungsfelder: Förderung der regionalen Ausgewogenheit bei der Verteilung kultureller Ressourcen; Unterstützung des gleichberechtigten Zugangs benachteiligter Gruppen zu kulturellen Ressourcen; Kulturförderprogramme im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit; finanzielle Unterstützung für den Fonds der Konvention  ("Internationaler Fonds für kulturelle Vielfalt/International Fund for Cultural Diversity").